Robert Podzuweit - Juli / August 2012

   
 
Praktische Alternativen zum Geldsystem  
     
 

Die Krise des Geldsystems
Die Finanz- und Eurokrise zeigt uns beinahe täglich, daß unser derzeitiges Geldsystem nicht mehr in der Lage ist, den Wirtschaftskreislauf ohne große Störungen in Bewegung zu halten.  Nun sind Krisen im Geld- und Wirtschaftssystem keine neuartigen Erscheinungen, die seit vielen Jahrzehnten nicht abreißende Diskussion darüber  legt ein deutliches Zeugnis ab. Bisher waren aber  meistens einzelne Fehlfunktionen Inhalt der Diskussion. Das seit mehren Jahren der Staat, und somit alle Bürger, immer größere Geldsummen bereitstellen müssen damit das Geldsystem nicht vollständig zusammenbricht ist jedoch eine dramatische Zuspitzung der Situation.

Somit stellt sich die Frage, ob es genügt nur einzelne Aspekte des Geldes zu betrachten, oder ob das Geld in seiner heutigen Form gänzlich in Frage gestellt werden muß.

Die Funktion des Geldes
Geld hat in unserer Wirtschaft die Funktion eines universellen Tauschmittels und erleichtert so den Güteraustausch. Des weiteren dient es auch zur Wertaufbewahrung. Wird Geld zur Wertaufbewahrung gehortet, so kann der Geldkreislauf ins Stocken geraten. Viele Reform-Geld-Ideen setzten hier an. Mit Hilfe des Zinses soll im heutigen Geldsystem das Geld wieder in den Kreislauf gebracht werden, was dramatische Nebenwirkungen erzeugt. Zusätzlich hat es den Effekt Menschen von der Nutzung kaufbarer Dinge auszuschließen. Wer Geld hat kann etwas nutzen, wer kein Geld hat, nicht.  Geldwirtschaft ist somit eine Methode, die Verteilung von Dingen zu organisieren, die nicht so häufig sind wie die Menschen es gerne hätten. Ein Tausch von Dingen, die im Überfluß vorhanden sind, würde ja auch wenig Sinn machen. Geld ist also eine Methode den Mangel zu verwalten.

Mangel oder Überfluß?
Institutionen und Menschen, die über große Geldsummen verfügen, bestimmen darüber, wer etwas haben kann und wer nicht. In welche Teile der Volkswirtschaft Investitionen fließen, und darüber, wofür kein Geld da sein soll. Sie üben Macht über andere Menschen aus. Und sie wollen in der Regel, daß das so bleibt. Sie haben ein Interesse daran, daß weiter ein Mangel besteht, oder zumindest der Eindruck des Mangels herrscht.

Andererseits hat die Produktion ein Ausmaß erreicht, daß sich die Frage stellt wer das alles brauchen soll. Nur durch das ständige Wegwerfen von Dingen, die an sich noch brauchbar sind, kann der Eindruck der Knappheit aufrecht erhalten werden.

Besonders interessant wird es, wenn der Staat viele Millionen ausgibt, um Werte zu vernichten. Immerhin sind dafür keine Kriege mehr notwendig. Durch die Förderung des Wohnungsabrisses in den 1990-er und 2000-er Jahren im Osten Deutschlands gelang es das „Überangebot“ an Wohnungen und damit sinkende Mieten zu verhindern.

Und erst vor Kurzem bei der „Abwrackprämie“ für die Verschrottung funktionierender Autos konnte der Überfluß an PKWs verhindert werden. Daneben wird mittels Werbung viel Geld ausgegeben, um den Menschen zu erzählen, ihre funktionierenden Dinge seien nicht mehr gut genug oder aus der Mode und deshalb müßten sie alles neu kaufen.

Nach Berechnungen von Darwin Dante (Darwin Dante: Die 5-Stunden-Woche, Frankfurt 1993, Im Netz: http://www. 5-stunden-woche.de/band1.pdf)wäre in Deutschland nur eine Arbeitszeit von 5 Stunden in der Woche notwendig um die gebrauchten Dinge und Dienstleistungen zu produzieren. Die Arbeitszeit, die notwendig ist um das Geldsystem aufrecht zu erhalten wie z.B. Rechnungswesen, Finanzämter, Werbeagenturen, große Teile der Justiz etc. entfällt.

Die Gratisökonomie
Die technischen Vorraussetzungen zum Ausstieg aus dem Geldsystem scheinen also gegeben zu sein. Ist aber auch die Organisation der Arbeit ohne Geld machbar?

Überall gibt es Menschen, die Dinge tun, die sie gerne wollen. Der große Bereich ehrenamtlicher Tätigkeiten zeigt dies deutlich. Die Erschaffung freier Software ist ein Beispiel, daß freiwillige Tätigkeit nicht auf den sozialen und kulturellen Bereich beschränkt sein muß, sondern auch hochgradig arbeitsteilige und komplexe Produktion umfassen kann. So sind fast sämtliche Arten von Computerprogrammen, vom Betriebssystem über Büro- und Internetprogrammen bis hin zu Spielen, als freie Software erhältlich.

Der Ausstieg aus dem Geldsystem
Das Geldsystem zu verlassen ist trotz vieler Ansätze nicht ohne weiteres möglich. Selbst wenn Menschen sich entscheiden würden auf ihrem Land Nahrungsmittel für sich selber anzubauen um davon zu leben: Spätestens wenn der Staat die Grundsteuer einfordert, besteht in unseren Breiten der Zwang, Geld zu haben. Auch historisch wurden Steuern (z.B. als Kopfsteuer im 19 Jh. in den Kolonien der europäischen Staaten) vielfach eingeführt um die Menschen zur fremdbestimmten Arbeit zu zwingen. Auch der heutige Zwang zur Krankenversicherung stellt hier eine echte Herausforderung dar.

Wenn auch der Ausstieg als Ganzes derzeit für den Einzelnen vorerst fast unmöglich scheint, so ist es doch möglich die Abhängigkeit vom Geld stark zu reduzieren. Die Unabhängigkeit vom Geld läßt sich um so leichter erreichen, je stärker die Menschen direkt miteinander kooperieren und sich so von dem Austausch der Märkte zurückziehen können.

Die gemeinschaftliche Nutzung langlebiger Konsumgüter wie Waschmaschinen oder Autos, die Mitarbeit in Tauschringen, die Nutzung von zur Vernichtung vorgesehenen Nahrungsmittelüberproduktion (Containern), die Installierung einer autonomen Energieversorgung (z.B. Sonnenenergie), Dinge selber reparieren statt wegzuwerfen und Umsonstläden sind einige solcher Möglichkeiten.

Umsonstläden als Baustein einer Gratisökonomie
Um den Überfluß des Reichtums der Konsumgesellschaft für Alle besser nutzbar zu machen, bedarf es neuer Orte des Austausches. 1999 wurde in Hamburg der erste Umsonstladen in Deutschland eröffnet. Heute existieren hierzulande über 40 Läden.

In einen Umsonstladen bringen Menschen Dinge, die sie nicht mehr benötigen aber noch gut brauchbar und zu schade zum Wegwerfen sind. Menschen, die etwas brauchen, können Dinge aus dem Laden mitnehmen. Weder für das Hinbringen noch für das Mitnehmen gibt es eine Pflicht zur Gegenleistung. Die Betreuung eines Laden wird durch Freiwillige geleistet. Im Sortiment eines Umsonstladen lassen sich Bekleidung, Bücher, Elektrogeräte, Hausrat (Gläser, Teller, Töpfe usw.) Kleinmöbel, Spielzeug und ähnliche Produkte finden. Obwohl es der gängigen Marktlogik widerspricht, sind die Menschen bereit diese Dinge der Allgemeinheit zu schenken.

Die Wirkungen des Umsonstladen-Prinzips
Die Umverteilung von Dingen in einem Umsonstladen hat drei gesellschaftliche Wirkungen:
                - sozial
                - ökologisch
                - politisch

Ein Umsonstladen ermöglicht Menschen ohne oder mit geringem Einkommen, durch zusätzlichen Konsum von benötigten Dingen ihre Lebensqualität zu erhöhen. Der Konsum von Dingen aus einem Umsonstladen benötigt keinen zusätzlichen Ressourcenverbrauch und produziert keinen zusätzlichen Müll. Menschen, die sich aus einen Umsonstladen versorgen benötigen weniger Geld und die geldvermittelte Warenproduktion wird gesenkt. Zudem können Menschen durch Verringerung ihrer Erwerbsarbeit ihre Zeit für anderes verwenden z.B. zur Produktion von Dingen, die sie gerne herstellen wollen. Und vielleicht anschließend verschenken. Je weiter die Gratisökonomie um sich greift, desto mehr haben die Menschen die Möglichkeit sich vom Geld zu emanzipieren.

Probleme von Umsonstläden
Natürlich ist ein Umsonstladen keine „Insel der Seeligen“. Im Umfeld der Geldwirtschaft werden Mittel benötigt um Miete, Strom usw. zu bezahlen. Da ein Umsonstladen keine „normalen“ Einnahmen hat, wird dies meistens über Spenden organisiert. Doch oft stellen Institutionen Räume auch kostenlos zur Verfügung.

„Brauchst Du das wirklich?“
Für viele Menschen ist es nicht zu verstehen, daß sie nichts bezahlen müssen. Wo sonst überall verkündet wird, daß noch nicht einmal der Tod umsonst sei. Und so kommt es vor, daß Menschen einen Umsonstladen mit einem „0-Euro-Schnäppchenparadies“ verwechseln und blind alles einpacken wollen. Oder Menschen suchen Dinge, die sie verkaufen können. Daher ist es immer wieder notwendig Nutzer/innen darauf hinzuweisen, daß sie gerne die Dinge mitnehmen können, die sie brauchen, aber ein Umsonstladen nicht dazu dient, Sachen anzuhäufen.

Je stärker Umsonstläden Normalität werden, je sicherer die Menschen davon ausgehen können die benötigten Dinge in einem Umsonstladen zu finden, je weniger sich Dinge auf einem Flohmarkt gut verkaufen lassen, desto weniger wird es Versuche geben einen Umsonstladen entgegen seiner Grundsätze zu nutzen.

Das Potential von Umsonstläden
Trotz aller positiven Aspekte von Umsonstläden stellt sich die Frage, ob es sich um ein verallgemeinerbares Prinzip handelt oder ob ein Umsonstladen exotische Ausnahme bleiben wird.

Grundsätzlich wird dies davon abhängen, ob die Menschen beim Geldsystem bleiben wollen oder nicht. Für die nähere Zukunft ist eine deutliche Ausweitung des Umsonstladengedankens möglich. Ein Besuch bei einem Recyclinghof der Müllentsorgung läßt die gigantischen Ströme an Waren erkennen, die dort, obwohl im guten Zustand, zerstört werden.

Eine am Eingang eines solchen Betriebshofes postierte Sammelstelle hätte gute Chancen einen Teil der Dinge vor der Vernichtung zu bewahren.

Ein Blick auf eine Internet-Auktionsplattform zeigt nicht nur weitere Warenmengen. Zu sehen ist auch, daß bei vielen Angeboten es nur wenig oder keine Nachfrage gibt, da allein die Versandkosten den Geldwert übersteigen. Ein dichtes Netz von Umsonstläden würde es vielen Menschen ihre Dinge erlauben,  ohne viel eigenen Aufwand anderen zum Gebrauch zu überlassen.

Längerfristig kann das System jedoch an eine Grenze stoßen: Je mehr Dinge über Umsonstläden verteilt werden, desto intensiver wird deren Nutzung. Ein Teil dient der Ausweitung des kostenfreien und ökologisch verträglichen Konsums. Andere werden den Konsum von in der Geldwirtschaft hergestellten Waren ersetzten und deren Produktion verringern. Der Warenüberschuß kann reduziert werden, bis alles optimal genutzt wird. Die im Geldsystem produzierten Waren können so aber nicht vollständig ersetzt werden. Nur wenn Menschen beginnen ihre durch Reduktion der Erwerbsarbeit gewonnene Zeit zur Produktion von Gegenständen und Dienstleistungen, die sie gerne herstellen wollen, zu nutzen und diese der Gratisökonomie zur Verfügung stellen, wird die Reduktion der Geldsphäre der Wirtschaft weiter anhalten, bis sie vollständig ersetzt wird.

Weitere Schritte und politische Erfordernisse
Umsonstläden können nur ein Hilfsmittel sein, den Reichtum an Dingen auf freiwilliger Basis umzuverteilen.

Für das Wohnen, die Produktion von Nahrungsmitteln und das Gesundheitswesen werden weitere Ideen gefordert sein. Insbesondere wird die Frage zu stellen sein wie die Verfügung über Grund und Boden organisiert wird.

Um im Umfeld des Geldsystems Menschen einen Ausstieg zu ermöglichen, bedarf es der Umsetzung einiger Voraussetzungen:

-  gesellschaftliche Akzeptanz bei bewuß-
   ter Entscheidung eines Individuums
   gegen ein Konto bei einer Bank
-  kostenlose Gesundheitsversorgung
-  kostenloses Bildungssystem

-  Abschaffung der Grundsteuer für:
-  selbstgenutzten Wohnraum
-  selbstgenutzte Landwirtschaft

   weiter ist wünschenswert:
-  kostenloser öffentlicher Nahverkehr

Umsonstläden im Netz:
www.umsonstladen.de
www.alles-und-umsonst.de

 
     
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