Dieter Kersten - Juli / August 2011

   
 

Griechenland: "Nazis haben Wirtschaft vernichtet"
Griechenland bricht geschützte Märkte auf

 
     
 

Griechenland:
"Nazis haben Wirtschaft vernichtet"

DIE PRESSE, Wien, 24.02.2010 | 16:12 | (DiePresse.com)
Der griechische Vize-Ministerpräsident Pangalos greift Deutschland scharf an. Die Nazis hätten griechisches Gold gestohlen. Deutschland verweist auf ein Abkommen zur Wiedergutmachung.

Im Streit über EU-Finanzhilfen für das hochverschuldete Griechenland hat Vize-Ministerpräsident Theodoros Pangalos die deutsche Regierung scharf angegriffen und dabei auf Verbrechen während der NS-Zeit verwiesen. Pangalos sagte der BBC laut einem Bericht des britischen Senders, Deutschland stehe Kritik an Griechenland nicht zu, weil die Nationalsozialisten die Wirtschaft Griechenlands ruiniert und überdies tausende Menschen ermordet hätten.

Pangalos sagte laut BBC weiter: "Sie haben das Gold aus der Bank von Griechenland und auch griechisches Geld weggeschafft, und es nie zurückgegeben." Dieses Thema müsse in baldiger Zukunft behandelt werden.

Wiedergutmachungsabkommen
Die deutsche Bundesregierung wies die Äußerungen am Mittwoch vehement zurück. Der Sprecher des Auswärtigen Amts, Andreas Peschke, verwies auf ein Wiedergutmachungsabkommen aus dem Jahr 1960, nachdem die Bundesrepublik Zahlungen von damals 115 Millionen D-Mark (knapp 59 Millionen Euro) geleistet hat.

Zudem hätten auch griechische NS-Zwangsarbeiter Geld aus der deutschen Stiftung "Erinnerung, Verantwortung und Zukunft" erhalten. Er riet der griechischen Regierung dazu, keine Themen zu vermengen, "die überhaupt nichts miteinander zu tun haben". Dies sei "überhaupt nicht hilfreich".

Griechenland muß Probleme selber lösen
Regierungssprecher Ulrich Wilhelm sagte, die aktuellen Probleme ließen sich nur in Griechenland selbst lösen. Dazu seien eine "entschlossene Konsolidierung" und zusätzliche Reformschritte nötig.

Am Mittwoch hatte ein Generalstreik aus Protest gegen massive Sparmaßnahmen Griechenland lahmgelegt. Alle Flüge fielen aus, Züge und Fähren zu den Inseln fuhren nicht, der öffentliche Nahverkehr fand kaum statt. Schulen und die meisten öffentlichen Einrichtungen blieben geschlossen. In Krankenhäusern gab es nur Notdienste. Inmitten des 24-stündigen Ausstands beriet die griechische Regierung über weitere Sparmaßnahmen, um den von der EU verordneten Defizitabbau zu erreichen. (APA)

Griechenland bricht geschützte Märkte auf

04.02.2011 | 18:38 |  FABIAN GREIMEL ("Die Presse", Print-Ausgabe)
Der griechische Staatschef George Papandreou liberalisiert 70 geschlossene Branchen. Schätzungen zufolge würde das Wirtschaftswachstum dadurch in die Höhe schnellen. Wachstum, das das Land dringend braucht.

Wien. In der griechischen Wirtschaft herrscht seit Jahrzehnten Stillstand. Aber einige Akteure verdienen sich an den alten Strukturen eine goldene Nase: Apotheker haben ein gesetzlich verankertes Recht auf eine 35-prozentige Gewinnspanne. Ein Transport von Athen nach Thessaloniki kostet annähernd so viel wie von München nach Athen. Und die griechischen Anwälte liegen mit ihren Honoraren im europäischen Spitzenfeld.

Insgesamt gibt es circa 70 geschützte Wirtschaftszweige, von denen knapp 150.000 Griechen leben. Gesetze beschränken den Markteintritt mit Gebietsschutz und Lizenzen – oder sie geben Mindestpreise vor.

Bis zum Sommer wurde die Zahl der Frächterlizenzen für knapp 40 Jahre nicht erhöht. Mangelnder Wettbewerb trieb die Preise in unglaubliche Höhen. Im Sommer vergangenen Jahres löste die angekündigte Verdoppelung der 33.000 Lizenzen einen Streik aus, der das Land eine Woche lang lahmlegte. Die Regierung beschloß die Reform trotzdem und zeigte damit, daß sie die erste Staatsführung seit Langem ist, die ihren Worten auch Taten folgen läßt. Gleichzeitig wurde auch ein Sparpaket für den aufgeblähten Staatsapparat inklusive umfassender Stellenkürzungen angekündigt, das Pensionsantrittsalter wurde von 58 auf 65 angehoben.

70 Branchen werden geöffnet
Nun werden alle geschützten Wirtschaftszweige aufgebrochen. Ihnen mangelt es aufgrund fehlenden Wettbewerbs an Innovationskraft und Produktivität. Der Athener Denkfabrik IOBE zufolge könnte durch die Liberalisierung über die nächsten vier Jahre 13,2 Prozent an zusätzlichem Wachstum generiert werden.

Vor Kurzem brachte die Regierungspartei deshalb gegen die Stimmen der Opposition ein Rahmengesetz durch das Parlament, das die Öffnung der geschützten Bereiche zum Ziel hat. Außerdem sind weitere Lohnkürzungen bei den Staatsbediensteten vorgesehen. Bisher hatte die Regierung vor allem Budgets gekürzt und Steuern erhöht. Durch das Aufbrechen der verkrusteten Strukturen wird eine längerfristige Erholung der Wirtschaft erst möglich.

Allerdings ist langer Atem gefragt, denn Reformen lassen sich nicht von heute auf morgen umsetzen. Ministerpräsident George Papandreou wehrt sich noch immer gegen einen „Haircut“, also ein Ausgleichsverfahren, bei dem Besitzer griechischer Staatsanleihen einen Teil ihrer Forderungen verlieren würden. Im Kampf gegen die finanziellen Probleme kommt der Regierung zugute, daß sich der Staat in den letzten Jahren bei niedrigeren Zinsen durch langfristige Anleihen finanziert hat. Das hat zur Folge, daß die durchschnittlichen Zinsen, die die Regierung derzeit zahlen muß, bei rund vier Prozent liegen. Und das wird sich bis 2016 nicht ändern. Zum Vergleich: Der Markt verlangt für neue griechische Staatsanleihen um die zehn Prozent Zinsen.

Schuldenstand pendelt sich ein
Dadurch könnte sich bei Fortsetzung der geplanten Sparmaßnahmen die Gesamtverschuldung in den nächsten ein bis zwei Jahren stabilisieren. Bei 150 Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung wohlgemerkt. Wenn die Reformen zur Liberalisierung der Wirtschaft greifen und das Wachstum wie erwartet anspringt, könnte in den nächsten Jahren damit begonnen werden, den Schuldenberg langsam abzutragen.

Die großen Unsicherheitsfaktoren bleiben jedoch: Die Reformen müssen gegen den Willen der Bevölkerung durchgesetzt werden. Werden die Sparziele von EU und IWF verfehlt, wird das die Finanzierungskosten nochmals in die Höhe treiben.


Hymnus auf die Bankiers
         von Erich Kästner

Der kann sich freuen, der die nicht kennt!
Ihr fragt noch immer: Wen?
Sie borgen sich Geld für fünf Prozent
Und leihen es weiter zu zehn.

Sie haben noch nie mit der Wimper gezuckt.
Ihr Herz stand noch niemals still.
Die Differenzen sind ihr Produkt.
( Das kann man verstehen, wie man will.)

Ihr Appetit ist bodenlos.
Sie fressen Gott und die Welt.
Sie säen nicht. Sie ernten bloß.
Sie schwängern ihr eignes Geld.

Sie sind die Hexer in Person
Und zaubern aus hohler Hand.
Sie machen Gold am Telefon
Und Petroleum aus Sand.

Das Geld wird flüssig.Das Geld wird knapp.
Sie machen das ganz nach Bedarf.
Und schneiden den andern die Hälse ab.
Papier ist manchmal scharf.

Sie glauben den Regeln der Regeldetrie
Und glauben nicht recht an Gott.
Sie haben nur eine Sympathie.
Sie lieben das Geld. Und das Geld liebt sie.
( Doch einmal macht jeder Bankrott! )

(entnommen Erich Kästner: Gesammelte
Schriften für Erwachsene Band 1
Droemer Knauer  März 1969)

Schuldenkrise:
Krisentreffen in Athen ist gescheitert

DIE PRESSE, Wien 27.05.2011 | 20:09 | (DiePresse.com)
Der Internationale Währungsfonds droht, Griechenland keine Kredite mehr zur Verfügung zu stellen. Dann müßte Europa die Zahlungen übernehmen. Indes bringen tausende Griechen ihre Ersparnisse im Ausland in Sicherheit.
Athen/Red.

Die griechische Regierung und die Opposition konnten sich bei einem Krisentreffen am Freitag nicht auf einen gemeinsamen Sparkurs einigen. „Leider stellen manche Politiker ihre Posten über Griechenland“, sagte ein Teilnehmer nach der Sitzung, die von Staatspräsident Karolos Papoulias einberufen worden war.

Neben Ministerpräsident Giorgos Papandreou mußten die Chefs aller im Parlament vertretenen Oppositionsparteien erscheinen. Das Staatsoberhaupt wollte klären, ob doch noch Einigkeit über das harte Sparpaket hergestellt werden kann. Doch die Opposition schaltete auf stur. Sie warf der Regierung vor, mit den Einsparungen die Wirtschaft abzuwürgen. Ministerpräsident Papandreou sagte, die Lage sei „schlimm“. Er erklärte am Freitagabend in einer Fernsehansprache, er werde nötige Reformen auch alleine durchführen – „koste es was es wolle“.

Ein gemeinsamer Sparkurs ist Voraussetzung für weitere Hilfszahlungen des Internationalen Währungsfonds und der Europäischen Union. Griechenland soll in den kommenden vier Jahren 78 Mrd. Euro einsparen. Erreicht werden soll dieses Ziel unter anderem mit dem Verkauf von Staatsfirmen. In Athen und Thessaloniki gingen erneut tausende Menschen auf die Straßen, um gegen die Auflagen des Internationalen Währungsfonds und der EU zu demonstrieren. Ohne Einsparungen müsse die alte Drachme wiedereingeführt werden, warnte die griechische EU-Kommissarin Maria Damanaki.

IWF verlangt Zusicherungen
Griechenland ist ab 18. Juli 2011 zahlungsunfähig. Um die Pleite abzuwenden, braucht das Land dringend die nächste Tranche der internationalen Hilfsgelder in der Höhe von zwölf Mrd. Euro.

Doch der Internationale Währungsfonds (IWF) zögert nun. Man werde der Athener Regierung kein weiteres Geld leihen, solange es keine finanziellen Zusicherungen gebe, so IWF-Sprecherin Caroline Atkinson in Washington. „Damit schützen wir das Geld unserer Mitglieder.“ Griechenland müsse beweisen, daß die Kredite zurückgezahlt werden können. Wendet sich der Währungsfonds tatsächlich ab, sollte Europa einspringen, sagte Eurogruppen-Chef Jean-Claude Juncker. Doch die Niederlande lehnen dies ab. Ein Sprecher der Regierung in Den Haag kündigte an, keiner weiteren Hilfe zuzustimmen, falls sich der IWF zurückziehe. Die Europäische Zentralbank, der Währungsfonds und die EU nahmen in den vergangenen Wochen den griechischen Staatshaushalt unter die Lupe. Der Bericht der „Troika“ soll Anfang kommender Woche zugestellt werden. Ein positives Testat ist Voraussetzung für die Auszahlung der nächsten Hilfskredite.

Indes bringen tausende Griechen ihre Ersparnisse im Ausland in Sicherheit. Die privaten Geldeinlagen sind laut Angaben der Athener Nationalbank von Januar 2010 bis April 2011 um mehr als 31 Mrd. Euro auf 165,5 Mrd. Euro zurückgegangen.

Zumindest beim geplanten Verkauf von Staatsfirmen kann die Athener Regierung aufatmen. Denn es melden sich bereits Interessenten. Der Frankfurter Flughafenbetreiber Fraport will sich für den Athener Flughafen bewerben. „Falls der griechische Staat verkauft, haben wir als einer der größten Flughafenbetreiber weltweit natürlich Interesse“, sagte Fraport-Chef Stefan Schulte am Freitag. Fraport will mit der Auslandsexpansion seine Abhängigkeit von den Geschäften auf dem Flughafen Frankfurt verringern. Interessant seien vor allem Airports, die nicht so gut liefen und die Fraport sanieren könne, erklärte Schulte.

Etwas schwieriger ist die Situation beim Athener Telekomkonzern OTE. Auf den Staatsanteil von 20 Prozent hat die Deutsche Telekom ein Vorkaufsrecht. Doch die Deutschen wollen die Option möglichst lange hinauszögern. 2008 hatten sie für 30 Prozent an OTE knapp vier Mrd. Euro bezahlt, seitdem mußten mehrere hundert Mio. Euro auf die Beteiligung abgeschrieben werden. Denn bei OTE sind zuletzt die Umsätze und die Ergebnisse zurückgegangen.

 
     
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