Dieter Kersten - Oktober 2007

   
 

Hartmut Gründler

 
     
 

(D.K)  Leser Wilfried Hüfler bat mich, auf die Gedenkveranstaltung für Hartmut Gründler  in Tübingen hinzuweisen. Die Daten zu dieser Gedenkveranstaltung finden Sie im Textrahmen.

Hartmut Gründler gehörte in den 70er Jahren zu den aktivsten und konsequentesten Atomkraftwerksgegenern der Bundesrepublik Deutschland. Ich entnehme dem Internetportal WIKIPEDIA Textabschnitte, um Hartmut Gründler vorzustellen: > Gründlers „Experiment mit der Wahrheit“: Geprägt durch Gandhi versuchte er, durch Hungerstreiks (u.a. in Wyhl, Tübingen, Kassel) und zahlreiche Offene Briefe (an Parlamentarier, Minister, Journalisten usw.) eine Änderung in der Energiepolitik zu erzwingen. Sein erster "Konfliktpartner", Bundesforschungsminister Hans Matthöfer, ging in dem von ihm im Juli 1975 zugestandenen „Bürgerdialog Kernenergie“ auf die Forderung nach Diskussion ein, bekannte sich jedoch letztlich im Juni 1976 brieflich zur langfristigen Durchführung des Atomprogramms. Ab Sommer 1976 wandte sich Gründler an den gemäß Grundgesetz für die Richtlinien der Politik Verantwortlichen, Bundeskanzler Helmut Schmidt, und forderte öffentliche Klarstellung der im Juni 1976 in den Bonner Hearings (im Forschungsausschuss am 2. Juni und im Innenausschuss am 9. Juni) in seinen Augen offen zutage getretenen Widersprüche zum bis dahin gültigen Umweltprogramm vom 29. September 1971. Der Kanzler antwortete ihm nie persönlich. Gründlers letzter, im November 1977 deswegen geplanter unbefristeter Hungerstreik kam aufgrund äußerer Schwierigkeiten - besonders wegen der Rücknahme einer gegebenen Zusage für einen Wohnwagen - nicht zustande. Die Selbstverbrennung: Am 16. November 1977 (Buß- und Bettag) verbrannte sich Gründler in Hamburg während des SPD-Parteitages aus Protest gegen die „fortgesetzte regierungsamtliche Falschinformation" in der Energiepolitik, besonders bezüglich der Endlagerung. Nicht etwa aus Verzweiflung, sondern um ein Zeichen zu setzen, wählte er den Tod durch Selbstverbrennung, wovon er Presseorgane sowie Politiker und auch den Kanzler vorab schriftlich informierte, unter Beifügung seines politischen Testamentes. So schrieb er - von sich selbst in der dritten Person sprechend - am 14.11.77, zwei Tage vor seiner Selbstverbrennung, in einem doppelseitig bedruckten Din-A5-Flugblatt, betitelt „Bitte weiterreichen... Bitte verständigen Sie rasch einen Publizisten aus Presse, Funk, Fernsehen! ...Auch an Bundestagsabgeordnete!!! – Selbstverbrennung eines Lebensschützers – Appell gegen atomare Lüge ...“ u. a. folgendes: „Gründler nennt seine Aktion eine Tat nicht der Verzweiflung, sondern des Widerstandes und der Entschlossenheit. Er will dem Sachzwang der Profitgier, des Dummenfangs, der Überrumpelung hier, der Trägheit und Feigheit dort einen Sachzwang des Gewissens entgegensetzen.“ Und in dem an den Bundeskanzler direkt gerichteten „Anhang“ zu diesem Appell schrieb er: „Ich wähle die letzte und äußerste Form des Protestes und nutze anstelle des [zu ergänzen: seit drei Wochen geplanten „granitenen“ - d. Verf.] Leuchtturms doch wenigstens noch die Sandburg zu einem Feuerzeichen, ...“ <

Der Herbst 1977 ist als der „Deutsche Herbst“ in die bundesdeutsch-bonner Geschichte eingegangen.Den nachfolgenden Text habe ich auch WIKIPEDIA entnommen: > Als Deutscher Herbst wird die Zeit und ihre politische Atmosphäre in Westdeutschland im September und Oktober 1977 bezeichnet, die geprägt war durch Anschläge der linksextremistischen Terrororganisation Rote Armee Fraktion. Die Entführung und Ermordung Hanns Martin Schleyers, die Entführung des Lufthansa-Flugzeugs Landshut und die Selbstmorde der inhaftierten führenden Mitglieder der ersten Generation der RAF stellten den Schlußakt der so genannten Offensive 77 der RAF und den Höhepunkt des deutschen Terrorismus dar.<

Die Unabhängige Monatsschrift NEUE POLITIK, Vorgängerin des Kommentar- und Informationsbriefes NEUE POLITIK hat in ihrer Ausgabe  vom 15. Dezember 1977 neun Seiten Dokumente zum Selbstopfer Hartmut Gründlers veröffentlicht. Die Auswahl fällt mir schwer und ist schließlich auf Gründlers letzten Brief an seine Freunde gefallen.

Es ist  Zufall, daß in der gleichen Ausgabe der  Unabhängigen Monatsschrift NEUE POLITIK, in der der Nachruf auf Hartmut Gründler erschien, ein Beitrag von mir  mit der Überschrift Letzter Appell an die Einsicht -  Offener Brief an den Bundesforschungsminister abgedruckt wurde. Auch hierbei ging es um die Atomkraftwerke.

Eine Schlußbemerkung: Das Experiment mit der Wahrheit wird in der Jetztzeit genauso wenig funktionieren wie damals. Im Gegenteil: Die Parteipolitiker sind in ihrer Machtgeilheit noch verlogener geworden, als sie damals waren. Ein Selbstopfer würde in unserer immer stärker materiell ausgerichteten Gesellschaft  kaum verstanden werden.Welche Experimente mit der Wahrheit bleiben uns noch, uns selber vor der von uns selber angerichteten höchst irdischen Apokalypsezu retten?

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Gründlers letzter Brief
an seine Freunde
1977

Die Lügen von Mogadischu und die Lügen von Bonn. Der Terror von Dortmund

Liebe Freunde, alte und neue, Liebe Verwandte und Bekannte,
die Hiobsbotschaften der letzten Wochen, vor und nach jenem kaum faßbaren Entsorgungsgutachten vom 20. Oktober, hatten etwas Lähmendes, Niederschmetterndes, das noch ringsum zu spüren ist. Um so stärker habe ich es empfunden, wie einige unter Ihnen mein Handeln mitgetragen haben, sei es in ermutigenden Briefen ausgedrückt, sei es in einer Gelassenheit spürbar, die mich erstaunt und die mir von jenseits meiner eigenen Kräfte zu rühren scheint. Ein wahrer Freund trägt mehr zu unserem Glücke bei als tausend Feinde zu unserem Unglück, sagt man. Wahr ist’s. Ich bin Ihnen von Herzen dankbar.

In Mogadischu ist zwar eine Erpressung abgewehrt worden, was wir alle begrüßen müssen. Der Preis jedoch war hoch: es war die Lüge, die den Sieg ermöglichte, die also als die eigentliche Siegerin gelten muß. Bundesminister Wischnewski hat nämlich die vier Terroristen durch knüppeldicke Lügen so lange hingehalten und eingelullt, bis die Techniker des Gegenterrors mit Schneid, Können und viel, viel Glück dem deutschen Namen endlich einmal wieder militärische Weltgeltung verschafften. So etwas nennen wir: jemanden aufs Kreuz legen. Niemand im christlichen Abendland, das ja unter dem Zeichen des Kreuzes steht, hat sich darüber gewundert. Ein lügender Bundesminister scheint für uns längst zum Selbstverständlichsten auf der Welt zu gehören. Den vier Terroristen hingegen war diese Erfahrung offensichtlich neu. Daraus allein schon war zu entnehmen, daß es sich nicht um Bundesbürger handeln konnte. Die Selbstverständlichkeit der bei uns von Amts wegen betriebenen Lüge ging damals klar über das von Terroristen aus den Heimatländern von 1001 Nacht gewöhnte Maß weit hinaus.

Inzwischen haben die Terroristen natürlich begriffen, was von den Worten eines Bundesministers zu halten ist; sie werden durch den Schaden ihrer Kameraden klug geworden sein. Wie hoch wird der Preis sein, den wir zu zahlen haben, in welchen Raten wird er fällig werden, bis wir selber so klug geworden sind, wie es die Worte unserer Regierung erfordern? Woher sollen wir wissen, daß sie uns besser behandelt als jene anderen von ihr so saftig Angeschmierten? Daß sie zwischen uns und den Terroristen einen Unterschied zu unseren Gunsten macht? Nichts seit dem 19. 9. 1977 deutet darauf hin - ganz im Gegenteil. Wie viele unter uns werden den Preis überleben, den wir Leichtgläubigen der Lüge zu zahlen haben? Und werden die Überlebenden, die seelisch, geistig, körperlich Verkrüppelten, nicht die Toten glücklich preisen? Warum lassen wir der Regierung so etwas durchgehen? Was wir hinnehmen, haben wir verdient. Die Terroristen nehmen es nicht hin. Sie haben mehr Ehre im Leibe als wir.

Kann eine Regierung angesichts des Terrors besser handeln als sie es in Mogadischu getan hat? Ja. Die Regierungen haben Jahre hindurch Zeit gehabt, sich geistig auf den Terror einzustellen. Was, wenn die Bundesregierung sogleich nach der ersten Feindberührung mit dem Terror erklärt hätte, sie werde, was auch komme, nie und nimmer und unter gar keinen Umständen sich auf eine Erpressung einlassen? Erpressung ist Geschäft unter dem Vorzeichen des Terrors. Ist mit dem Terror kein Geschäft zu machen, fällt Erpressung augenblicks in sich zusammen wie ein Luftschloß, wenn ihm die Luft ausgeht. Friedrich II. von Preußen hat es vor über 200 Jahren bereits vorexerziert. Er erteilte seinem Kabinett den gemessenen Befehl, im Falle, daß er gefangen genommen werden sollte, nicht die mindeste Rücksicht auf ihn zu nehmen und so zu handeln, als lebe er nicht mehr. Lösegeld für den König von Preußen? Lächerliche Vorstellung.
Warum haben unsere derzeitigen Regierungen bislang nicht diese preußische Größe aufzubringen vermocht? Die Antwort ist ebenso einfach wie bitter: weil diese Regierungen, voran die Bundesregierung, selber erpresserisch vorgehen. Sie lehren uns das Schlottern und Zähneklappern: Ohne Atomenergie kein Wachstum, ohne Wachstum keine Arbeitsplätze! Na, wenn das kein Erpressungsmanöver ist... Diese Behauptungen nämlich stimmen vorn und hinten nicht, sowenig wie die Ministerworte von Mogadischu, nur daß wir eingelullt und zugleich terrorisiert werden. Was können wir dagegen unternehmen, damit wir bei klaren Sinnen und gesundem Verstand bleiben?

Es wird entscheidend wichtig werden, daß wir aus jenem großen Ja leben, von dem aus die kleinen Nein sich fast beiläufig ergeben. Wenn Meditation uns wichtig wird: es ist altüberlieferter Rat, daß man nicht über den Teufel meditieren soll.

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»Ich sehe durch die Augen aller. Ich arbeite durch die Hände aller, ich bewege mich durch die Füße aller. Und die Körper aller Rassen, der braun-, weiß-, gelb-, rot- und schwarzhäutigen sind meine Körper.

Ich denke durch die Gedanken aller, ich träume durch die Träume aller, fühle die Empfindungen aller. Und alle Blumen der Freude, die in zahllosen Herzen blühen, gehören mir.

Ich bin das ewige Lachen. Mein Lächeln spielt auf allen Gesichtern. Ich bin die Welle der Begeisterung in allen gotterfüllten Herzen.

Ich bin der Wind der Weisheit, der die Seufzer und Tränen der ganzen Menschheit trocknet. Ich bin die stille Freude am Leben, die alle Wesen durchpulst.

Ich will den ganzen weiten Raum entzünden und mich in seinen lodernden Schoß werfen denn ich bin ja unsterblich! Ich will in die Unendlichkeit laufen, ohne je das Ende zu erreichen. Ich will laufen und fliegen und alle Dinge, alles, was sich bewegt, und die bewegungslose Leere mit meinem Lachen erfüllen.

Erwecke mich, o Himmlischer Vater, damit ich mich aus dem engen Grab des Fleisches zum Bewußtsein meines kosmischen Körpers erhebe.

Laß mich nichts als Schönheit, nichts als Güte, nichts als Wahrheit, nichts als Deinen unsterblichen Brunnen der Glückseligkeit schauen.

O Göttliche Mutter, überall im weiten Raum der Schöpfung erklingen Deine rhythmischen Schritte. Ich höre sie im wilden Tanz des Donners und im sanften Reigen der Atome.

(Paramahansa Yogananda: Meditationen zur Selbstverwirklichung. 5. Aufl. 1976. S. 52-54, Auszug). - Für mich vorerst » nur « Poesie.

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Gottvater ist das Absolute, Unmanifestierte, das jenseits der vibrierenden Schöpfung existiert. Gott, der Sohn, ist das Christusbewußtsein (Brahma oder Kutastha Tschaitanya), das innerhalb der vibrierenden Schöpfung besteht; dieses Christusbewußtsein ist die » eingeborene « oder einzigne Widerspiegelung des Unerschaffenen Unendlichen.

Die äußere Offenbarung des allgegenwärtigen Christusbewußtseins wird » Zeuge « (Offenb. 3, 14), OM, Wort oder Heiliger Geist genannt; dieser ist die unsichtbare göttliche Macht, der einzig Handelnde, die einzige Schöpferkraft, die das ganze Universum durch Schwingungen aufrechterhält. OM, der segensreiche Tröster, kann in der Meditation gehört werden; er enthüllt dem Gottsucher die letzte Wahrheit und „wird euch erinnern an alles des, das ich euch gesagt habe“.

Stärken wir einander durch bundesgenössisches Handeln.

Auf Walther Soykas »Institut für biologische Sicherheit« habe ich bereits mehrfach aufmerksam gemacht, mehrfach empfohlen, ihm durch Klägervollmacht vor Gericht Rückhalt zu gewähren.

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Soeben, nach einer fast pausenlos durchgearbeiteten Nacht, entdecke ich um 5.30 Uhr im  > Bonner General Anzeiger < vom 14.11. folgendes: »Gericht entsprach der Klage von Atomgegnern«

„Die vom niedersächsischen Sozialministerium erklärte sofortige Vollziehbarkeit der ersten atomrechtlichen Teilgenehmigung für das Kernkraftwerk Unterweser in Esenshamm ist vom Oldenburger Verwaltungsgericht aufgehoben worden. In einem gestern Abend bekanntgewordenen Beschluß heißt es, durch die sofortige Vollziehbare Teilgenehmigung würden vollendete Tatsachen geschaffen, die nicht oder nur schwer rückgängig zu machen seien. Dem Gericht liegen mehrere Klagen gegen atomrechtliche Teilgenehmigungen vor.“

Warst Du hier am Werk, Walther? Irgendein anderer Bundesgenosse? Ganz gleich: bravo! Es drohen uns vollendete Tatsachen, die nicht oder nur schwer rückgängig zu machen sind - klarer kann man es nicht mehr sagen. Hören Sie es, Herr Bundeskanzler?

Hier liegt der Einwand nahe: Warum, Herr Gründler, setzen Sie Ihre Kräfte nicht zur finanziellen und u. U. auch organisatorischen Unterstützung Ihres Freundes Walther Soyka ein,  anstatt zu Aktionen, die Sie für flüchtige Beobachter in Baader-Meinhof-Nähe  rücken?

Meine Antwort: ich habe leider fünf Gegengründe.

  1. Rechtsprechung hierzulande ist bei Atomenergie Lotteriespiel. Man kann an sachkundige Richter geraten, und mit dem Sachverstand der Richter steigen erfahrungsgemäß die Erfolgsaussichten für Lebensschützer. Man kann aber auch Pech haben. Helga Vowinkel kann ein Lied davon singen.
  2. Die 40000 Gewerkschaftler in Dortmund halten von den Gerichten fast noch weniger als von den Bürgerinitiativen. Wie viel Stehvermögen werden die Richter dagegen aufbringen?
  3. Oberste Instanzen bei einigen, wenn nicht allen unseren Verfahren sind das Bundesverfassungsgericht und das Bundesverwaltungsgericht. Zumindest das Bundesverfassungsgericht ist stark parteipolitisch beeinflußt worden. Die Unbefangenheit des Gerichtes gegenüber der Bonner Drei-Parteien-Atomkoalition erscheint zumindest fraglich.
  4. Auch aufgrund eigener Erfahrung bin ich beim Bundesverfassungsgericht skeptisch. Ich wollte im Frühjahr 1977 dort lediglich erreichen, daß der Bundeskanzler das Petitionsrecht nach Art. 17 GG respektiert und zu Eingaben Stellung nehmen läßt. Das Gericht verwies mich auf den Rechtsweg: drei Instanzen, jede etwa 2 Jahre Laufzeit, jede mit Kosten, die dritte obendrein mit Anwaltzwang verbunden - und damit ist das Petitionsrecht praktisch außer Kraft gesetzt.
  5. Der für mich wesentlichste Punkt, das Bürgerrecht auf Wahrheit, ist bei unseren Gerichten nach ihrem derzeitigen Stand nicht einklagbar.

Was ist besser: in dem Lotteriespiel mitwürfeln - oder aber einen Scheinwerfer auf die Vorbedigungen des Lotteriespielens richten?
Die Stromzahlungsverweigerung verdient Beistand, liegt aber auf anderem Gebiet.
.....
Da Friede sich auf Ehre, Ehre sich auf Wahrheit gründet,
sind Friede, Ehre, Wahrheit auf Lebenszeit verbündet.
Soll Friede und Ehre kommen vom Tod zu neuem Leben,
muß Wahrheit aus dem Grab als erste sich erheben.
H. G
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