Dieter Kersten - Januar 2007

   
 

Anzeige gegen Merkel und Jung wegen Vorbereitung von Angriffskriegen

 
     
 

(D.K.) Man muß bei aller Kritik am Grundgesetz und an unserer Rechtsordnung beachten, daß beide ermöglichen, Strafanzeige gegen Bundeskanzlerin Angela Merkel und Verteidigungsminister Franz Josef Jung zu erstatten.  Der Verein Aachener Friedenspreis e.V. hat Merkel und Jung am 15. November 2006 wegen „Vorbereitung von Angriffskriegen“ bei der Bundesanwaltschaft angezeigt.

In www.zeit.de/news/artikel/2006/11/15/ 80783.xml finden Sie folgende, nicht gezeichnete Nachricht:  Aachen - Hintergrund der Anzeige bei der Bundesanwaltschaft sei die "neue Militärdoktrin" der Bundesrepublik, teilten die Friedenspreis-Verleiher mit. Das im Oktober vom Kabinett verabschiedete neue Weißbuch zur Sicherheitspolitik messe der Bundeswehr "die Rolle einer weltweit einzusetzenden und präventiv tätigen Interventionsarmee" zu. Vor diesem Hintergrund habe die Regierung ein "neues Verständnis" von Sicherheit und Verteidigung entwickelt, das mit den Vorgaben von Grundgesetz, UN-Charta und Völkerrecht "nicht in Einklang zu bringen" sei. Auch die "materielle Umrüstung" der Bundeswehr mit den entsprechenden Waffensystemen und Transportmitteln diene der Vorbereitung von Angriffskriegen, kritisierte der Friedenspreis-Verein. "Das Weißbuch löst sich nahezu vollständig vom bisherigen Verteidigungsbegriff und spricht sich für Militäreinsätze aus, ohne daß zuvor ein Angriff auf das eigene Territorium oder das eines Bündnispartners stattgefunden hat oder unmittelbar droht." Eine solche "präventive Kriegsführung" hebele aber "das gesamte, auf Friedenspflicht angelegte Völkerrecht aus".

Es geht bei dieser Anzeige um die §§ 80 und 80a des Strafgesetzbuches:
§ 80. Wer einen Angriffskrieg (Artikel 26 Abs. 1 des Grundgesetzes), an dem die Bundesrepublik Deutschland beteiligt sein soll, vorbereitet und dadurch die Gefahr eines Krieges für die Bundesrepublik Deutschland herbeiführt, wird mit lebenslanger Freiheitsstrafe oder mit Freiheitsstrafe nicht unter zehn Jahren bestraft.

§ 80a.Wer im räumlichen Geltungsbereich dieses Gesetzes öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften (§ 11 Abs. 3) zum Angriffskrieg (§ 80) aufstachelt, wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

Wird die Rechtsordnung gelobt, wird sie auch gleich wieder in Frage gestellt. Der Generalbundesanwalt hat am 5. Dezember 2006 dem Aachener Verein folgendes geantwortet: Betrifft: Ihre Strafanzeige vom 15. November 2006 gegen Bundeskanzlerin Dr. Merkel und Bundesminister Dr. Jung wegen der Vorbereitung eines Angriffskriegs

Sehr geehrter Herr Steinbicker, sehr geehrte Frau Kempen,
von der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens habe ich abgesehen, weil zureichende tatsächliche Anhaltspunkte für das Vorliegen einer Straftat nicht gegeben sind (§ 152 Abs. 2 StPO). Die Verabschiedung des „Weißbuches zur Sicherheitspolltik Deutschlands und zur Zukunft der Bundeswehr 2006" durch die Bundesregierung erfüllt nicht den Tatbestand der Vorbereitung eines Angriffskrieges (§ 80 StGB).

Der Straftatbestand des § 80 StGB setzt voraus, daß der Täter einen Angriffskrieg, an dem die Bundesrepublik Deutschland beteiligt sein soll, vorbereitet und dadurch die Gefahr eines Kriegs für die Bundesrepublik Deutschland herbeiführt. Sowohl die Tathandlung als auch der Taterfolg müssen hinreichend konkretisiert sein. Durch Planung und Vorbereitung einer bestimmten bewaffneten Aggression, die gegen das Völkerrecht verstößt, muß es zu einem Spannungszustand kommen, der den Ausbruch eines Krieges zumindest als naheliegende Möglichkeit erscheinen läßt (Tröndle/Fischer, Kommentar zum StGB, 53. Aufl., § 80 Rdn. 9).

Bei dem Weißbuch handelt es sich um einen Bericht zur künftigen Sicherheitspolitik und zur Lage und Entwicklung der Bundeswehr, der der Bundesregierung als sicherheitspolitisches Programm dient. Es enthält weder einen konkreten Kriegsplan noch hat sein Inhalt zu der konkreten Gefahr eines Kriegsausbruchs für die Bundesrepublik Deutschland geführt.

Ob der Inhalt des Weißbuchs verfassungskonform ist, hat der Generalbundesanwalt nicht zu prüfen. Das Bundesverfassungsgericht hat jedenfalls im Urteil vom 22. November 2001 (2 BvE 6/99) ausgeführt, daß Krisenreaktionseinsätze der NATO entsprechend deren Strategischen Konzept 1999 keine grundlegend neue Einsatzart darstellten (Rdn. 156) und darin keine machtpolitisch oder gar aggressiv motivierte Friedensstörungsabsicht zu erkennen sei (Rdn. 163). Auf das Strategische Konzept 1999 der NATO nimmt das Weißbuch ausdrücklich Bezug (Weißbuch S. 17 ff).

Auf den § 80a des StGB geht der Generalbundesanwalt erst gar nicht ein. Otmar Steinbicker, der Vorsitzende des Vereins Aachener Friedenspreis e.V., schreibt auf seiner Webseite: "Wir sind von der Entscheidung des Generalbundesanwalts nicht überrascht. Es war zu erwarten, daß dieser als politischer Beamter nicht strafrechtlich gegen Mitglieder der Bundesregierung vorgehen und eine dementsprechende Ablehnung unseres Antrags formulieren würde. Für bemerkenswert halten wir den Hinweis des Generalbundesanwalts, daß es nicht seine Aufgabe ist, zu prüfen, ob der Inhalt des Weißbuchs verfassungskonform ist." Herr Steinbicker, läßt jetzt prüfen, welches juristische und politische Vorgehen möglich und notwendig ist.

Anmerkung Die normal Post-Adresse des Vereins: Aachener Friedenspreis e.V., c/o Otmar Steinbicker, Neuenhofer Weg 23, 52074 Aachen, Tel.: 0241/9967001, Fax: 0241/8944332.

Den Wortlaut der Strafanzeige finden Sie unter
www.aachener-friedenspreis.de

 
     
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