Johannes Scholler / Mai 2004    
Über Wolfgang Lohmüller, Arthur Mahraun und den Jungdeutschen Orden  
     
 

(D.K.) Der nachstehende Text/ Kommentar stammt von Johannes Scholler, Waltherstraße 19, 80337 München, und trägt das Datum 29.02.04. Johannes Scholler ist Verwalter des Nachlasses von Wolfgang Lohmüller. Eine Bemerkung kann ich mir selbst nicht verwehren: Das Wort "korrektivistisch" ist im Fremdwörterduden nicht zu finden. Es klingt gelehrt, ist es aber nicht. Jeder kann sich zwar vorstellen, was damit gemeint ist; trotzdem finde ich es nicht gut, wenn neue Fremdwörter erfunden werden.

Der Text von Wolfgang Lohmüller gibt eine gute Übersicht über Gründung und Weg des politischen Phänomens "Jungdeutscher Orden", 1920 bis zum Zwangsende 1933. Die Schilderung des politischen Denkens des Ordensgründers und Hochmeisters Artur Mahrauns in den ihm zur Wirkung noch gebliebenen Nachkriegsjahren bis zu seinem Tod 1950 erscheint mir korrektivistisch im Sinne der beiden letzten Sätze "Junge politische Kräfte erkennen zunehmend die Notwendigkeit, die repräsentative durch eine direkte Demokratie zu vervollkommnen. Die Reformideen Artur Mahrauns werden helfen, die richtigen Wege dafür zu finden." Diese beiden Sätze mag ich Freund Lohmüller nicht nachsehen, was ich damals, als er mir den Text in die Hand drückte, ihm auch sagte. Der Künder und Pionier des "Neuen Wesens" Mahraun ist hier nicht mehr zu sehen, auch nicht der Schreiber der Zeilen im Gedicht "Lagerfeuer": "Vergangener Zeiten Weisheit ist am Ende / Und das Gewissen dieser Welt ist tot / Verheißend lockt aus jungem Morgenrot / Das neue Weltbild einer Zeitenwende".

Das Jungdeutsche Manifest 1927 sieht im "Volksstaat" ein Gemeinwesen, das die Bezeichnung "Demokratie" verdient Die existierende "parteiistische Demokratie" ist bestenfalls eine Vorform. Im Jahr 1949, dem Jahr vor seinem Tod, verfaßte Mahraun die beiden wegweisenden Schriften "Der Protest des Individuums" und "Politische Reformation". Im "Protest des Individuums" anerkennt Mahraun angesichts des wiederauflebenden, von den Besatzungsmächten gewünschten, Parteiensystems die von den Parteien gebildeten Parlamente als normale gesetzgebende Gewalt ... ergänzt und begrenzt durch aus politischen Nachbarschaften, d.h. Kleingemeinden, in Stufenwahlen, ohne Mitwirkung von Parteien, gebildete zweite Kammern. Mahraun war sich dabei bewußt, daß eine solche bürgerschaftliche Laienorganisation das Parteiwesen entweder grundsätzlich reformieren oder auf Dauer zum Erlöschen bringen würde. In den von den Alliierten wieder zugelassenen Parteien machte man sich über eine solche Entwicklung keine Illusion. Die, wie W. Lohmüller in seinen Text erwähnt, in den ersten Nachkriegsjahren bereits gegründeten ca. 500 politischen Nachbarschaften ließen die Parteileute aufhorchen. Ein Verbotsantrag stützte sich auf das Argument "Das Volk maßt sich staatliche Rechte an". Die Großwetterlage war für das "Neue Wesen" nicht günstig. Berlin-Krise 1948, Bonner zentrales Parlament 1949, Einbindung in die NATO, "Wirtschaftwunder" etc. ließen den Kelch an der bis heute fortbestehenden politischen Kaste vorübergehen. Mahraun sah die Parteienkrise, die wir heute vor uns haben, voraus. In dem Buch "Politische Reformation" schrieb Mahraun 1949 (S. 183) "Sobald eine sachliche Auseinandersetzung zwischen dem Parteiensystem und dem System der nachbarschaftlichen Gliederung in Gang gekommen ist, gibt es keineswegs nur die einzige Lösung, welche die Parteien vielfach fürchten, daß sie dann nämlich verschwinden müssen. Wohl ist sicher, daß ein nachbarschaftlich gegliedertes Volk das aus der Vergangenheit bekannte und gehaßte Parteiunwesen nicht mehr ertragen wird. Das Volk wird sehr viel kritischer sein, und diese Kritik verläuft sich nicht mehr in den ohnmächtigen Massen. Sie besitzen jetzt Machtmittel, um sich durchzusetzen. Das wird einen großen Wandel des Parteiwesens nach sich ziehen."

Die Schrift "Politische Reformation" ist aufschlußreich und deckt auch wenig bekannte, bis heute nachwirkende Zusammenhänge aus der Weimarer Zeit auf und ist Lektüre auch junger interessierter "Neubürger" wärmstens zu empfehlen. Sie schließt mit den Worten "Das tiefe Geheimnis des allgemeinen Protestes, darin Anlaß und Recht aller hier vorgebrachten Ansichten, Wünsche und Forderungen wurzeln, offenbart sich in der Gewissheit: Der Einzelmensch will kein Spielzeug mehr sein!"

Politische Reformation, das erinnert an die einst von Martin Luther losgetretene, aber stecken gebliebene religiöse Reformation. Die Zeit wird erweisen, ob nicht einst Mahraun neben und nach Luther gesehen wird.

 
     
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