Anne Hehl / Januar 2004    
Gesundheitspolitik und Solidarsystem Betrachtungen aus der Sicht einer
Sozialpädagogin (FH)
 
     
 
Die nachstehenden gesundheitspolitischen Texte habe ich dm Mitgliederrundschreiben vom 12. Dezember 2003 des DEUTSCHER BUNDES ZUR RETTUNG DES LEBENS e.V., Vorsitzender Hans-Jürgen Lange, Bundesgeschäftsstelle Gehrenshalde 40, 74427 Fichtenberg, entnommen.

Gesundheitspolitik und Solidarsystem Betrachtungen aus der Sicht einer
Sozialpädagogin (FH)

Anne Hehl, Lembergstraße 12,
74235 Erlenbach

Die zwischen der SPD (Regierung) und der CDU (Opposition) ausgehandelten Eckpunkte über eine Gesundheitsreform sind vollkommen unsozial. Sie sind eine GROSSE KOALITION gegen unser Solidarsystem. Sie entlasten einseitig die Arbeitgeber und belasten Arbeitnehmer bzw. die Krankenversicherten und Patienten. Während die Arbeitgeber durch die Senkung der Beitragssätze zur gesetzlichen Krankenversicherung tatsächlich entlastet werden, trifft dies für die Krankenversicherten nicht zu. Ihnen wird das, was ihnen durch eine Senkung des Krankenkassenbeitrags scheinbar gegeben wird, um ein Vielfaches wieder aus der Tasche geholt. Von 23,1 Milliarden Euro, die eingespart werden sollen, werden die Versicherten und Patienten mit 15,9 Milliarden Euro belastet.

Bei einer vierköpfigen Familie mit durchschnittlichem Einkommen wird die Senkung des Krankenkassenbeitrages zwar rund 100 Euro jährlich ausmachen, ihre Belastung, die sie aber künftig zusätzlich tragen muß, wird bei rund 600 Euro liegen. Zu Recht bezeichnet U. Montgomery vom MARBURGER BUND diese Gesundheitsreform als PAKT GEGEN DIE SCHWACHEN. Nach der Teilprivatisierung der Gesetzlichen Rentenversicherung durch die Riester-Rente und der Demontage der Arbeitslosenversicherung hat die rot-grüne Regierung der dritten Säule unseres Solidarsystems den entscheidenden Schlag versetzt. Ausgerechnet eine sozialdemokratische Partei ist es, die mit dem Vorschlag, das Krankengeld künftig nur noch durch die Versicherten finanzieren zu lassen, die Arbeitgeber aus der hälftigen - der sogenannten paritätischen - Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung entläßt. Die SPD bricht mit langjährigen sozialdemokratischen Positionen und selbst sozialreformerischen Grundsätzen wie der staatlichen bzw. öffentlich-rechtlichen Verantwortlichkeit für das Gesundheitssystem, der vollen Absicherung der Gesundheitsrisiken durch die Beitragszahlung ohne finanzielle Zuleistungen der Patienten, der wechselseitigen Unterstützung von kranken und gesunden Versicherten, von Alten und Jungen.

Diese "Reform" wird auch nicht zu mehr Wachstum und Beschäftigung führen, da sie die Kaufkraft der Bürgerinnen und Bürger weiter schwächen wird: Wer Hunderte von Euro jährlich zusätzlich für eigenfinanzierte Versicherung des Zahnersatzes und des Krankengeldes, für Praxisgebühr, Krankenhausgebühren, Medikamente usw. ausgeben muß, hat weniger Geld für Konsum in der Tasche. An der wirklichen Ursache der Probleme der Krankenversicherung geht diese Reform vorbei. Ursächlich für die Probleme im Gesundheitswesen sind nicht die Ausgaben, sondern die Einnahmen der gesetzlichen Krankenkassen. Es gibt keine Kostenexplosion im Gesundheitswesen, wie versucht wird, der Bevölkerung weiszumachen. Der Anteil der Gesundheitsausgaben am Bruttoinlandsprodukt in Deutschland liegt seit Jahrzehnten ständig gleichbleibend bei etwa 6 %: 1980 lag er bei 6,1 %, 2001 bei 6,5 %. Das Gesundheitswesen ist nur in dem Maße gewachsen wie die gesamte Volkswirtschaft. Massiv zurückgegangen sind jedoch aufgrund von Massenarbeitslosigkeit und gesunkenen Löhnen die Einnahmen der Krankenkassen. Eine wirkliche Reform müßte deshalb auf der Einnahmeseite ansetzen.

Eine Lösung stellt daher die Wertschöpfungsabgabe dar, bei der Sozialversicherungbeiträge nicht pro Arbeitnehmer erhoben werden, sondern nach der Wertschöpfung eines Unternehmens. Dies wäre auch für arbeitskräfteintensive Betriebe wie das Handwerk gerechter als das derzeitige System. Eine andere Möglichkeit wäre eine Erwerbstätigenversicherung bei welcher auch Selbständige, Freiberufler, Beamte, Politiker und Gutverdienende Beiträge in die gesetzliche Krankenversicherung einbezahlen. Damit würden die Beitragssätze nach dem Kölner Wissenschaftler Professor Lauterbach, der im Sachverständigenrat für das Gesundheitswesen sitzt, sinken, das derzeitige Leistungspaket der gesetzlichen Krankenkassen bliebe aber erhalten. Es würden keine Leistungen wie Krankengeld oder Zahnersatz ausgeschlossen. Solche sozial gerechten Lösungen wird weder die derzeitige Regierung, noch die Opposition realisieren, wenn nicht massenhafter Widerstand von den Betroffenen, die ja schließlich die Mehrheit der Bevölkerung ausmachen, geleistet wird. Nach dem berechtigten Aufschrei bei den Müllgebühren, sollten alle Bürgerinnen und Bürger täglich mit mehr Protest gegen diese Politik im Gesundheitswesen anheben. Der Widerstand muß ständig zunehmen, bis diese "Reform" reformiert wird. Die Großdemonstration vom Samstag, dem 1. November 2003, in Berlin mit über 100 000 Teilnehmern kann nur der Anfang und nur eine Form des Widerstandes sein. Jetzt ist es an der Zeit, daß Sie als Bürger dieses Landes und als direkt Betroffener eigene Konsequenzen und Aktionen entwickeln und sich offensiv beteiligen.

 
     
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