Dieter Kersten - September 1998    
Weltpolitik  
     
  In der Wochenzeitschrift FREITAG vom 28. August schreibt Torsten Wöhlert unter der Überschrift Präsidiale Notstände und unter der Unterüberschrift Jelzin und Clinton: Triebmenschen am roten Knopf u.a.: Zwei Paukenschläge aus Washington und Moskau, ausgelöst durch zwei Präsidenten, die verzweifelt um ihre Macht und einen würdigen Platz in den Geschichtsbüchern ringen. Der eine läßt Cruise Missiles auf (angebliche?) islamische Terror-Zentralen im Sudan und Afghanistan feuern. Und der andere schickt seinen Premierminister in die Wüste, weil der sich als unfähig erwies, ihm die Kastanien aus dem Feuer zu holen. Beide sind Wiederholungstäter. Boris säuft, und Bill läßt seinen Hormonen freien Lauf. Zwei bedrängte Triebmenschen am roten Knopf der Weltgeschichte.
Aus einem sehr lesenswerten, aber leider für den Kommentar-und Informationsbrief zu langen, Artikel von Georg Seeßen Der Schwanz, der mit dem Präsidenten wedelt, Unterüberschrift Zwischen Faszination und Langeweile: Inszenierung und Katastrophe von Sex und Gewalt im (nicht so) Weißen Haus in der gleichen Ausgabe von FREITAG zitiere ich: So glanzlos wie dieser Präsident, von dem wir gern glauben wollen, daß er, wie es im Bayrischen Rundfunk heißt, den Reißverschluß seiner Hose nicht im Griff hat, so glanzlos ist auch alles, was ihm gegenüber steht. Monica Lewinsky, die arme Seele! Kein Mensch glaubt, daß sie je etwas anderes sein könnte, als das, was die Medien gerade aus ihr machen. Sie ist so inszeniert, daß sie ganz buchstäblich und körperlich zurechtgeschnitten wird für das Medienbild, das sie abgibt. Für die einen mag es Bestätigung leichter Verbesserungen in der Welt sein, daß auch der mächtigste Mann der Welt bestraft werden kann für das Ausnutzen seiner Position oder einfach so, wie alle phallokratischen Busengrabscher dieser Welt. Andere mag es melancholisch stimmen, daß der Frau im Umkreis der Macht nicht einmal mehr der Mythos gegönnt ist, der sie bekleidet und ihr Würde verleiht. Von der Leidenschaft der Lola Montez über den Glamour der Marilyn Monroe sind wir bei Monica Lewinsky bei der Schamlosigkeit einer daily soap opera angelangt. Die Frage ist gar nicht: Wird sie die Inszenierung überleben, in deren Zentrum sie steht? Die Frage ist: Wird es irgend einen Menschen geben, der sich irgendwas drum scheren wird? Offensichtlich sind beide, Clinton und Lewinsky, Figuren in einem größeren Spiel, und was zwischen ihnen verhandelt wird, ist nicht bloß die berechtigte Frage, wie Sexualität und Macht, schon wieder, zusammengehören. Da werden wirkliche, weltpolitische Dinge verhandelt, und es ist viel zu kurz gegriffen, wenn man glaubt, dieser Präsident könne ein Bombardement im nicht so Nahe Osten initiieren, um von seinen moralischen Problemen abzulenken.
Ausnahmsweise darf ich mich mal selbst zitieren. Ich schrieb im Editional der Ausgabe Februar 1998 des Kommentar-und Informationsbriefes u.a.: Clinton muß sich der Loyalität der Araber versichern, bevor er den Irak angreift. Deshalb hatte Frau Albright ein sehr gedrängtes Reiseprogramm. Sie konnte nur Kuwait voll überzeugen; alle anderen arabischen Staaten verurteilten zwar Saddam Husseins Haltung gegenüber den Inspektionen, lehnten aber einen "Militärschlag" gegen den Irak ab. Sie taten es, obwohl Clinton, und das ist nun zu seinem ganz persönlichen Dilemma geworden, Israel und insbesondere Herrn Netanjahu, öffentlich gerügt und sogar desavouiert hatte. Daraufhin hat der israelische Geheimdienst die Affäre Monica Lewinsky inszeniert, ob mit oder ohne Beteiligung des Präsidenten, das vermag ich nicht zu entscheiden. Der israelische Geheimdienst Mossad, dem jedes Mittel recht ist, die Interessen Israels durchzusetzen, hat sich der (Jüdin?) Lewinsky (Lewi? Levi?) bedient, um Clinton unter Druck zu setzen. Wenn diese behauptete Sexaffäre nicht politische Folgen haben könnte, dann wäre sie ein geeignetes Thema für Kabaretts. Daß aber mehr dahinter steckt, als nur eine mögliche mangelnde Selbstbeherrschung des Präsidenten, zeigt die merkwürdige Geschichte, daß diese junge Frau sogar angeblich die spermagetränkte Wäsche (vermutlich in einer extrem kalten Tiefkühltruhe, damit das Beweisstück lange erhalten bleibt ...) aufbewahrt hat.
So ist Clinton zwischen zwei Stühle geraten? Zwischen den "israelischen Stuhl" und den "islamischen Stuhl"?
Die Staatsideologie der USA und die Staatsideologie Israels ist die, auserwählt zu sein, die gesamte Erde mit dem, was beide Gebilde für Kultur und Wissenschaft halten, beglücken zu müssen. Kultur (Religion) und Wissenschaft liefern die Begründungen für den Trieb zu einer Machtpolitik, die die Vernichtung des Andersdenkenen und Andershandelnen zum Ziel hat.
Die zwölf Jahre Hitlerei, ihre Vorgeschichte und ihre Nachgeschichte sind Beispiel: die Deutschen haben, wider besseren Wissens, gegrölt: am deutschen Wesen soll die Welt genesen. Dabei, und das war bekannt, wurde Hitler aus den gleichen Quellen finanziert, wie Lenin und Trotzki. Bevor die Völker die Regime installierten, wurden sie in einen Zustand versetzt, aus dem heraus sie emotional und nicht mehr mit dem Kopf handelten. Die Folgen waren schrecklich: es gab nicht nur Millionen von Toten, sondern die russische (slawische) und die anderen europäischen Kulturen wurden nachhaltig beschädigt, wenn nicht sogar zerstört.
Exkurs: Hitler war nichts weiter als ein vom Ausland bezahlter Killer. Da er sich selbst zu fein war, benutzte er das deutsche Volk. Das ist keine Entschuldigung für die Deutschen, die das Volk der Dichter und Denker genannt wurden. Die Deutschen waren wahrscheinlich damals, trotz aller sozialen/wirtschaftlichen Schwierigkeiten, (fast) weltweit diejenigen mit dem besten Bildungssystem. Trotzdem machten sie das Affentheater der Hitlerei nicht nur mit, sie verstärkten die zerstörerischen Wirkungen dieser Herrschaft. Sie entblödeten sich nicht, einen Eid auf Hitler zu leisten, also nicht auf das deutsche Volk. Kein deutscher Soldat hat im letzten Weltkrieg sein Heimatland oder seine Familie verteidigt. Nur Hitler ist durch den deutschen Soldaten verteidigt worden, der gleiche Hitler, der dann feige Selbstmord beging, nicht ohne vorher das deutsche Volk als seiner unwürdig beschimpft zu haben. Ich verstehe deshalb solche Leute wie Mechtersheimer nicht, die heute noch stolz von der Tapferkeit des deutschen Soldaten sprechen. Diese Tapferkeit war reine Selbstbefriedigung.
Aber zurück zur aktuellen Weltpolitik. In der Beantwortung der Frage, Welche wirklichen weltpolitischen Dinge verhandelt werden?, stehen wir ziemlich hilflos da. Zwei Kulturen gibt es, die dem US - Amerikanismus gegenüber stehen: die islamische und die jüdische Kultur. Ich hätte auch gerne von einer asiatischen (chinesischen und/oder japanischen) Kultur gesprochen, aber diese beiden Kulturkreise haben sich dem US-Amerikanismus, so scheint es, bereits ergeben. Afrika ist zu sehr gespalten, um von einer afrikanischen Kultur zu sprechen. Ich kann nur hoffen, daß sich dort viele eigenständige Kulturen erhalten. Die jüdische Kultur hat zur Zeit in den USA einen hohen politischen Stellenwert, so daß sie nicht zur Disposition steht. Anders sieht es mit der islamischen Kultur aus. Sie wird von den Mächtigen dieser Erde als ein Hindernis gesehen, die Erde (wirtschaftlich) zu beherrschen, obwohl sich große Teile der islamische Oligarchie alle Mühe geben, amerikanischer als amerikanisch zu erscheinen.
Anmerkung: Unter Kultur verstehe ich nicht nur Musik, Theater und Folklore, sondern eine bestimmte Geisteshaltung, die sich ein Volk oder die sich Völker in Jahrhunderten, manchmal auch in längeren Zeiträumen, erworben haben.
Legen wir die Staatsideologie der USA zugrunde, dann sind es nur wenige Schritte, Raketen auf Ziele in Afghanistan und Sudan zu befehlen, unter Mißachtung der Souveränität der Völker und ihrer Regierungen. Ich verurteile die beiden Anschläge auf die us-amerikanischen Botschaften in Kenia und Tansania, aber, und dieses aber ist keine Entschuldigung, die Anschläge sind die hilflosen Reaktionen auf das Zusammenspiel von Israel und USA. Die systematische Vertreibung der Palästinenser aus ihrer Heimat und die bedingungslose Unterstützung dieses Vorganges durch bisher alle US-Regierungen mit der geballten wirtschaftlichen und militärischen Macht gibt auch kriminellen Elementen Freiraum zum sinnlosen Morden.
Wir Deutsche sollten endlich diese Weltpolitik, so wie sie gehandhabt wird, zur Kenntnis nehmen, im Widerspruch zu der veröffentlichten Meinung oder dem political correctness. Nachdem wir uns die Brüsseler Europabehörden und den Euro haben überstülpen lassen, sollten wir nicht nur für unser eigenes Land, sondern für Europa militärische und politische Neutralität fordern. Indem wir gewaltfreien Widerstand einüben und das zum Bestandteil unserer Kultur machen, indem wir eine allseitig offene, vorurteilsfreie, Wissenschaft zum Bestandteil unserer Kultur machen, indem wir Bildung wieder zum Bestandteil unserer Kultur machen (und wahrscheinlich noch einiges mehr), werden wir den Weltherrschaftsansprüchen Auserwählter entgegentreten können.
(Fast) Possen Nr.1: In der BERLINER MORGENPOST (Springer) sind am 21. August, auf Seite 6, zwei Beiträge nebeneinander positioniert, die, s.o., sogar zusammengehören; der eine Artikel hat die Überschrift Die Schlinge um Clintons Hals zieht sich langsam zu und der andere Artikel hat die Überschrift Israel will 5000 neue Wohnungen auf den Golan-Höhen errichten - mit der Unterüberschrift Premier Netanjahu reist nicht zu Jubiläumsfeiern nach Oslo. In dem KURIER DER CHRISTLICHEN MITTE vom August 1998 lese ich, Überschrift Netanjahu gegen Mission: Missionarische Aktivitäten hätten in Israel "bedrohliche Ausmaße" angenommen und seien "für alle Juden schockierend und beunruhigend". Mit dieser Begründung wurde dem israelischen Parlament ein neuer Gesetzentwurf vorgelegt. Danach soll "das Predigen mit der Absicht zum Religionswechsel einer anderen Person" mit drei Jahren Gefängnis oder umgerechnet 25 000 DM bestraft werden. Der ersten Abstimmung ging keinerlei Debatte voraus. 37 Abgeordnete, darunter das gesamt Kabinett Netanjahus - auch er selber - stimmten für die Gesetzesvorlage. Netanjahu beweist damit, daß es ihm mit seinem Bekenntnis zu demokratischen Verhältnissen in Israel nicht ernst ist.
(Fast) Posse Nr. 2. Der deutsche Botschafter im Sudan ließ seinen Chef, Außenminister Kinkel, wissen, daß die Chemiefabrik im Sudan tatsächlich nur eine Pharmafabrik war und keine Kampfstoffe hergestellt habe. Reaktion des Herrn Kinkel (F.D.P.): ein Botschafter gäbe nicht die Meinung der Bundesregierung wieder.
(Fast) keine Posse mehr: Leider habe ich die Quelle verbummelt. Es war in irgendeiner August-Nummer vom FREITAG, in der, mit Nennung von Roß und Reiter, festgestellt wurde, daß der französische Staatspräsident Chirac seine schmutzigen Finger in der neuerlichen Kongo-Affäre hat. Nicht direkt. Er hat Verhandlungen Oppositioneller und durch die Kabila-Herrschaft zu kurz gekommener nicht nur zur Kenntnis genommen, sondern sie gebilligt und begleitet. Grund: Kabila ist nicht francophil, sondern den USA zugetan. Nun sind in Afrika sechs Staaten gegeneinander im Krieg. Und Europa ist mit seiner "gemeinsamen" Außenpolitik wieder einmal mehr ins Zwielicht geraten. Wie ist es da mit der Meinung der Bundesregierung, Herr Kinkel?
 
     
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