Dieter Kersten - März / April 2009    
 

Theater: Alfred Hitschcock "Die 39 Stufen"
Komödie: Richard Strauss: "Der Rosenkavalier"

 
     
 

(D.K.) Das Jahr fing gut an. Am 6. Januar sah ich im Theater  am Kurfürstendamm die Kriminalkomödie Die 39 Stufen von Alfred Hitschcock und andere, wie es auf der Eintrittskarte steht. Es heißt eigentlich, „viele Köche verderben den Brei“, doch in diesem Fall kommt mit „und andere“ ein sehr dichtes, komödiantisches Theaterstück mit einer atemberaubenden Schnelligkeit des Geschehens zustande. Vier Schauspieler in mehr als hundert Rollen nehmen uns auf eine abenteuerliche Reise mit - in die Welt der Geheimdienste und der dazugehörigen Morde. Die Schauspieler wechseln hinter Möbeln, Wänden und auf offener Bühne Kleidung, Maske und ihre Rollen und zeigen, wie viel sie in Ausbildung und Bühnenpraxis in ihrem Beruf gelernt haben. Und das ist beachtenswert viel. „James Bond“ würde bestimmt neidisch sein.

Da wird z.B. eine Zugfahrt in Schottland, einschließlich einer Verfolgungsjagd im Zug selber und auf dem Dach des Zuges nur durch die szenischen Darstellungen der Menschen, ihrer Mimik, der Worte, der Töne und der menschlichen Bewegungen, mit einfachen Mitteln auf einer Theaterbühne inszeniert.

Die vier Schauspieler, die zwei Stunden und fünfzehn Minuten für Spannung und Bewegung sorgen, sind  Ingolf Lück (er führt auch Regie), Nicola Ranson, Alexis Kara und Oliver Dupont.

Die Premiere des Stückes im Theater am Kurfürstendamm fand  am 28. September 2008 statt.  Die Aufführung am Dienstag, den 6. Januar, war schlecht besucht, was die Schauspieler nicht verdient haben. Möglicherweise waren die potentiellen Besucher des Theater noch Silvester-erschöpft.

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(D.K.) Am 15. Februar sah und hörte ich in der Deutschen Oper Berlin die Komödie für Musik Der Rosenkavalier von Richard Strauss, Text von Hugo von Hofmannsthal. Es war die 64. Aufführung seit der Premiere der Inszenierung von Götz Friedrich  am 13. Februar 1993.

Es war eine farbige, musikalisch wie szenisch  mitreißende Aufführung.

Die Handlung ist im Milieu der Aristokratie in Wien um 1740 angesiedelt, in den ersten Jahren der Regierung der Kaiserin Maria Theresia. Hauptfiguren sind der siebzehnjährige Octavian Graf Rofrano, auch  Quinquin genannt, die junge Sophie, ihr neureicher Vater, der Herr von Faninal sowie ihr Bräutigam Baron Ochs auf Lerchenau und die Feldmarschallin Maria Theresa Fürstin Werdenberg. Musikalisch ist das Stück nicht nur im 18. Jahrhundert, sondern auch im 19. und 20. Jahrhundert zu Hause.

Der Rosenkavalier ist, wie man zu sagen pflegt, Große Oper, mit einer Musik, die gleichsam Mozart und Wagner zum Vorbild hat.

Der Rosenkavalier ist darüber hinaus ein Gegenwartsstück, bezogen auf das Österreich der Zeit um 1910. Es läßt sich als Kritik auf die verkommenen Sitten der Donaumonarchie lesen – der Hofmannsthal selbst aber doch anhing – oder als eine Verteidigung des heiligen Ehestandes. Im Stück verborgen liegt eine konservative Tendenz, die Verkommenheit des Ehebrechers und Lüstlings zu entlarven und zu demontieren, um am Schluß die Liebe – in der Ehe – triumphieren zu lassen. Sophie betet vor der Ankunft des Barons zu Gott: „Die Mutter ist tot und ich bin ganz allein. Für mich selber steh ich ein. Aber die Ehe ist ein heiliger Stand“.

Das ist eine Sichtweise! Die andere Sichtweise, die komödiantische Sichtweise ist, so scheint es mir zu sein, die  die Moral „auf die Schippe“ nimmt. Die Liaison der Feldmarschallin Maria Theresa Fürstin Werdenberg mit dem siebzehnjährigen Grafen Octavian, vom Orchester lyrisch begleitet, der musik-dramatisch untermalte Verzicht der ältlichen (und verheirateten) Feldmarschallin auf diese Beziehung zugunsten der Sophie, die moralische Entlarvung des Barons Ochs auf Lerchenau, all diese mit Ernst und mit Spott verfolgten Szenen sind keineswegs „moralinsauer“. Wie kann auch eine Komödie  moralinsauer sein?

Die flotte, in sich schlüssige Inszenierung der besuchten Aufführung verdanken wir Götz Friedrich (1930-2000).

Der historische Rosenkavalier ist  im Januar 1911 an der Dresdener Hofoper uraufgeführt worden.

Der Münchener Komponist Richard Strauss (1864-1949) hatte sich mit dem 3. Reich arrangiert. Im August 1944, in der Endphase des Zweiten Weltkriegs, wurde Strauss nicht nur von Hitler auf die Gottbegnadeten-Liste, sondern auch auf die Sonderliste mit den drei wichtigsten Musikern gesetzt, was ihn von jeglicher Kriegsverpflichtung befreite.

Hugo von Hofmannsthal  (1874-1929) entstammt einer jüdischen Familie aus Wien. Sein Großvater konvertierte zum katholischen Glauben.

Strauss hat seinen jüdischen Librettisten nie verleugnet. Auch das ist österreichisch-deutsche Geschichte.

Die Vorstellung am 15. Februar war leider nicht ausverkauft. Nur zwei Drittel der Plätze waren nach Augenschein besetzt. Schade. Der Beifall war angemessen stürmisch.

 
     
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