Dieter Kersten - September 2007    
 
Theater: Strindberg "Fräulein Julie "  
     
 

(D.K.) August Strindberg scheint „modern“ zu sein. In der Juni-Ausgabe berichtete ich über die Inszenierung Totentanz durch Thomas Langhoff im BERLINER ENSEMBLE Theater am Schiffbauer Damm, diesmal berichte ich über die Inszenierung von Fräulein Julie in der TRIBÜNE in Berlin-Charlottenburg durch Anna Langhoff. Ich sah die Aufführung am 30. Juni 2007.
Arbeitet sich die Langhoff-Familie an Strindberg ab, oder ist es reiner Zufall, daß sich Kusine und Kusin am gleichen Schriftsteller versuchen? Während es Thomas Langhoff gelungen war, den Inhalt von Strindbergs Totentanz spannend und bewegend auf die Bühne zu bringen, kann mit Fug und Recht behauptet werden, daß Anna Langhoff das Thema eines naturalistischen Trauerspiels verfehlt hat.

Formal wird die Handlung mit einem tatsächlich naturalistischen Bühnenbild nahezu klischeehaft und ebenfalls naturalistisch  „abgespielt“: ein etwas exzentrisches adliges Fräulein verführt den Diener ihres Vaters. Dieser Diener ist wiederum mit der Köchin liiert, die in dem aufgeregten Spiel fast ein ruhender Pol ist. Wo jedoch Strindbergs Trauerspiel stattfindet, blieb dem Rezensenten verborgen. Die Inszenierung hat absolut keinen Biß. Ich habe mich gefragt, wo der (gesellschaftskritische) Strindberg geblieben ist.

Die Zuschauer waren offensichtlich der gleichen Meinung. Es waren an diesem Sonnabend  ca. 25 Theaterfreunde bzw. -freundinnen gekommen, die  ca. 300 Plätze zur Verfügung hatten. Die Schauspieler taten jedem leid, so daß 50 Hände doch noch einen ordentlichen Beifall spendeten.

Ach ja, die Schauspieler. Der Diener Jean wurde von Alexej Schipenko - Schauspieler und Komponist - gespielt. Alexej Schipenko hat auch die Musik zu Fräulein Julie geschrieben, nichts auffälliges, obwohl ich an dieser Stelle die provokatorische Frage stellen muß, warum heutzutage zu fast allen (klassischen) Theaterstücken (moderne) Musik, die ursprünglich nicht vorgesehen war, gespielt werden muß.  Die zweite Frage stelle ich mir auch immer wieder: Warum lernen Schauspielerinnen und Schauspieler an den deutschen Schauspielschulen nicht, deutlich und klar zu sprechen und nicht zu nuscheln. Alexej Schipenko ist ein gebürtiger Russe und seit 1990 in Deutschland. Im normalen sprachlichen Umgang würde ich sagen, er spricht ein vorzügliches Deutsch und ich beneide ihn, denn ich werde vermutlich nie eine Fremdsprache so gut sprechen können. Diese positive Bemerkung reicht aber nicht für die Bühne. Akzent und Nuscheln ist der absolute Sprachtod für das Sprech-Theater.

Ich habe mir das Reclam-Heftchen Fräulein Julie von August Strindberg für € 2,60 gekauft und mit Vergnügen das Vorwort zur Erstausgabe gelesen. Ich gestehe, daß sich mein Vergnügen auf die „frauenpolitischen Äußerungen“ des gefeierten Dichters beziehen, nicht, daß ich diese Äußerungen teile, sondern weil Strindberg den Mut hatte, sie zu tun.

1888 entstand Fräulein Julie, angeregt vom Programm des kleinen „Théâtre Libre“ in Paris, das mit naturalistischen Einaktern berühmt geworden war. Über die Uraufführung von Strindbergs Fräulein Julie steht auf  der Programm-DINA4-Doppelseite der TRIBÜNE folgendes: > Fräulein Julie durfte aufgrund des für skandalös erachteten Inhalts nur im Rahmen der geschlossenen Veranstaltung uraufgeführt werden, und zwar am 14. März 1889 im Kopenhagener Studentenverein. <

Ja, das war einmal, das mit dem skandalös erachteten Inhalt!

Die Premiere in der TRIBÜNE fand am 14. Juni 2007 statt.

 
     
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