Dieter Kersten - September 2005    
Theater: Martin Lingnau, Thomas Matschooß, Heiko Wolgemuth und Edith Jeske „Swinging Berlin - Tanzen verboten“  
     
 

Swinging Berlin, ein Titel, der viel verspricht. Ein Musical auf der Bühne des Theaters am Kurfürstendamm, keine klassische Musicalbühne, aber eine Bühne für gediegenes Boulevardtheater.

Ich sah das Musical Swinging Berlin - Tanzen verboten am 1. März 2005. Es ist eine Gemeinschaftsproduktion von Martin Lingnau, Thomas Matschooß, Heiko Wolgemuth und Edith Jeske. Es ist ein musikalisch und tänzerisch sehr flottes Stück, wobei für meinen Geschmack die Musik sehr laut war. Aber das gehört vermutlich zu dem Swinging Berlin, welches Anfang der 40er Jahre spielt, während des Krieges, im 3. Reich und in der damaligen Reichshauptstadt Berlin. Swing ist für die Nazis undeutsch, "Niggermusik", ist verboten und wird als oppositionell abgestempelt. Die jungen Menschen, die sich in einer Bar am Kurfürstendamm (heimlich) treffen, die Musik zu hören und danach zu tanzen, befinden sich somit außerhalb des Gesetzes. Sie haben alle bereits Einberufungsbefehle, müssen also für ein Regime ihre "Haut zum Markte tragen", welches sie nicht akzeptieren. Sie sind notwendigerweise eine verschworene Gemeinschaft, der Barbesitzer, seine Kapelle und die Swing-Kids.

Die Handlung geht auf wahre Begebenheiten zurück. Die Verfasser packten in das Stück alles rein, was ihnen zum Swing und zum 3. Reich einfallen kann, so daß so manches mit den Klischees über die Gesellschaft und Machthaber des 3. Reiches übereinzustimmen scheint: Die Fröhlichkeit und Sorglosigkeit der Jugend und deren Lebenswillen, ein schwuler Barbesitzer, ein jüdisches Mädchen als Verfolgte und Beschützte, Uniformierte des Regimes, die als naiv bis dumm, aber auch als brutale Vollstrecker dargestellt werden, bestechliche Beamte - es erschien mir fast zu viel an politischer Korrektheit, was sich in diesem Musical wiederfand. Hinzu kam die Tragik des Verrats, durchgeführt durch eines der Swing-Kids, eines jungen Mädchens, die ihren Freund vor dem Fronteinsatz retten wollte. Als sie die Folgen ihres Verrates sah, stürzte sie sich auf einen der Uniformträger und wurde erschossen. Und da ja ein solches Stück ein glücklichen Ausgang haben muß, wird dem Zuschauer suggeriert, daß die Flucht des jüdischen Mädchens mit ihrem arischen Freund gelang. Es wirkte fast wie "Friede, Freude, Eierkuchen": das ist Berlinerisch, aber möglicherweise nicht nur.

Die Vorstellung war sehr gut besucht; wenige verließen in der Pause das Haus. Der Applaus war stürmisch.

 
     
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