Dieter Kersten - Mai 2004    
Theater: Stephen Sinclair und Anthony Mc Carten „Ladies Night“
Ballet: Peter Tschaikowsky „Schwanensee”
Theater: Brandon Thomas „Charleys Tante”
 
     
  Fast ist mir ein Stein vom Herzen gefallen. Fast hat es plumps gemacht! Ich habe einen fröhlichen Abend hinter mir. Manchmal, wenn ich den Kulturspiegel schreibe und wieder und wieder eine aktuelle Aufführung kritisiere, da frage ich mich, wo die Freude an der Kultur bleibt. Natürlich ist die Freude fast immer da! Soll ich die Freuden nennen? Man wird aus dem täglichen Allerlei der Maloche gerissen, man unterhält sich mit einem netten Menschen, denn ich gehe nie allein, die grauen Gehirnzellen kommen zum Tanzen.

Freude an der Kultur hatte ich am 9. Dezember 2003 in der TRIBÜNE in Berlin-Charlottenburg. Ich sah und hörte Ladies Night von Stephen Sinclair und Anthony Mc Carten. "Das Stück der neuseeländischen Autoren ist bereits 1987 entstanden und wurde in ihrem Heimatland zum erfolgreichsten Theaterstück aller Zeiten. Folkle Brabands Inszenierung an der TRIBÜNE wurde von den Mitgliedern der Berliner TheaterGemeinde zur >Aufführung des Jahres 2000< gewählt." Mit Recht, meine ich.

"Es geht um die Geschichte von sechs Freunden in einer englischen Industriestadt. Sie sind ebenso talent-wie tatenlos, ohne Arbeit und auch im privaten Leben eher glück-oder gar hoffnungslos, sie sind nicht schön, nein, sie haben Rettungsringe, sind nicht mehr ganz jung und hühnerbrüstig, aber inmitten ihrer Misere aus Schuldenbergen und ehelichen Scherbenhaufen fassen sie eines Tages den mutigen Entschluß, eine ganz neue Existenz zu gründen: als >Die Wilden Stiere< bieten sie Männer-Striptease. Dabei stellt sich ihnen die alles entscheidende Frage: ganz oder gar nicht?!"

Eine kreative Jobidee!

Als Zuschauer begleiten Sie die sechs Männer auf ihren Weg vom totalen Frust, zu der Job-Entscheidung und dem Striptease selbst und ich habe selten so gelacht über eine Situationskomik nach der anderen, die durchaus auch ernsthafte und betroffen machende Momente hat. Das Publikum jubelte, es gab im gut besuchten Haus viele Vorhänge.

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Am 2. Februar 2004 sah und hörte ich in der Staatsoper Berlin, Unter den Linden, das klassische (russische) Ballet-stück Schwanensee von Peter Tschaikowsky. Die Choreographie und Inszenierung besorgte Patrice Bart "im Romanow-Stil". Schwanensee steht im Bewußtsein vieler Kunst-und Kulturkenner für eine russische Kultur, die durch die Oktober-Revolution auf Nimmerwiedersehen verschwand und deshalb auch keine Weiterentwicklung erfuhr. Dabei gilt Tschaikowsky als ein russischer Komponist westlicher Musiktradition. Zur Erklärung: Romanow, das war die letzte regierende Zarenfamilie in Rußland.

Schwanensee ist ein Märchen, welches, wie alle guten Märchen, die Phantasie beflügeln kann. Hauptpersonen sind die Witwe und Mutter Königin und ihr Sohn Prinz Siegfried, gerade 18 Jahre jung, und die Schwanenprinzessin Odette. Die (tragische) Liebe Siegfrieds zur Schwanenprinzessin (oder auch nur sein Traum von ihr und von der Liebe) treibt ihn nach dramatischen Verwicklungen in einen schlimmen Selbstmord. Siegfried war es nicht gelungen, sich von seiner alleinerziehenden und alles bestimmenden Mutter abzusetzen. Da er die Mutter nicht beschädigen wollte, tötete er sich selbst.

Das alles wird wunderschön getanzt, mit Tschaikowskys dramatischer Musik. Peter Iljitsch Tschaikowsky wurde am 7. Mai 1840 in Wotkinsk geboren und starb am 6. November 1893 in St. Petersburg. Schwanensee entstand 1877 und war von Anfang an ein großer Erfolg.

Die Inszenierung, die ich gesehen habe, hatte ihre Premiere am 16. Dezember 1997. Die Vorstellung am 2. Februar war die 97. . Das Haus war ausverkauft, mit erfreulich vielen Kindern und Jugendlichen. Es war ein enthusiastisches Publikum. Es gab Jubelrufe und sehr viele Vorhänge.
Empfehlen kann ich den Kauf des Programm-Buches, auch wenn es sehr teuer ist ( € 8,- ??) und wenn ich ebenfalls nicht jeden Beitrag in diesem Buch für gut halte.

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(D.K.) Am 23. März sah ich in der KOMÖDIE am Kurfürstendamm ein nahezu klassisches Boulevardstück: Charleys Tante, eine Komödie von Brandon Thomas. Brandon Thomas (1856 bis 1914) war ein englischer Schauspieler; er hat mehrere Stücke geschrieben, aber Charleys Tante ist das einzigste Theaterstück, das die Zeiten überdauert hat. Den meisten Lesern wird Charleys Tante durch die Filme mit Paul Kemp, Heinz Rühmann und Peter Alexander bekannt sein. Ich habe nur den Film mit Heinz Rühmann gesehen, in dem der Stoff filmkonform aufbereitet wurde. Die Inszenierung im Theater, die ich beschreibe, hält sich an die historische Vorlage. Dadurch bekommt die Komödie einen besonderen Reiz.

Inhaltlich geht es um verwöhnte Studenten aus der Upperclass der englischen Gesellschaft, die, ständig in Geldnot, verliebt und vergnügungssüchtig, den ständischen Spleen der Wohlanständigkeit huldigen und die (reiche) Tante aus Brasilien als Anstandsdame sehnsüchtig erwarten. Als die Tante nicht rechtzeitig kommt, verkleidet sich einer der Studenten als Charleys Tante. Das führt zu allerhand Verwicklungen und komischen Situationen, zumal die richtige Tante dann doch erscheint.
Für Brandon Thomas war der Inhalt seiner Komödie sicher auch Gesellschaftskritik, sicher nicht so bierernst, wie die Kontinentaleuropäer, auch wir Deutschen, Gesellschaftskritik betreiben.

Die verkleidete Tante von Charley wurde von Nikolaus Kühn gespielt. Das Fernsehpublikum kennt ihn aus der Telekomwerbung Er macht seinen Job sehr gut, wie das ganze Ensemble. Die Vorstellung war völlig ausgebucht.

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Weshalb Martin Schüler in seiner Inszenierung von Rigoletto an der KOMISCHEN OPER in Berlin den Hofstaat des Herzogs von Mantua auf ein Schiff der 20er bis 30er Jahre des vorigen Jahrhunderts positioniert hat, ist mir ein Rätsel. Sollte es nur der Reiz des anrüchigen Hafenmilieus sein? In Schülers Inszenierung wechselt die Kulisse vom Schiff auf's Land und zurück und wieder auf's Land. Matrosen und Liegestühle "an Deck" sind ein Fremdkörper in der Inszenierung. Wenn schon eine Modernisierung dieser Oper aus dem 19. Jahrhundert notwendig sein sollte, dann wäre es konsequent, sie ganz auf ein Kreuzfahrtschiff des 21. Jahrhunderts zu verlegen, auf dem solche Dramen wie die des Rigoletto real ablaufen, wenn auch meistens nicht mit einem körperlich toten Menschen am Schluß.

Ich sah und hörte Rigoletto von Giuseppe Verdi ( 1813-1901) am 15. April. In Berlin waren Osterferien. Das Haus war gut besucht, und was mich besonders freut, es war viel Jugend zu sehen.

In dem sehr empfehlenswerten Programmheft wird Rigoletto als eines der wichtigsten Stücke des Komponisten geschildert. Verdi wird zu Rigoletto zitiert:" Der ganze Inhalt liegt in diesem Fluch ... Ein unglücklicher Vater, der die seiner Tochter geraubte Ehre beklagt, von einem Hofnarren verlacht wird, den der Vater verflucht, und dieser Fluch trifft den Narren auf fürchterliche Weise - das scheint mir moralisch und im höchsten Grade erhaben."

Die Idee bzw. die dramatische Grundlage des Stoffes für Rigoletto stammt von Victor Hugo (1802-1885), und seinem Drama "Le Roi s'amuse" ("Der König amüsiert sich") Das Libretto stammt von Francesco Maria Piave (1810-1867). Wie Hugo hatte Verdi Schwierigkeiten mit der Zensur. Die Uraufführung erfolgte schließlich 1851 im Fenice -Theater in Venedig.

Bei aller Kritik an der Inszenierung: die Musik ist und ihre Interpreten waren vorzüglich

 
     
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