Dieter Kersten - Februar 2000    
Theater: Lessing "Minna von Barnhelm oder Das Saldatenglück"
Theater: Goldoni "Der Diener zweier Herren"
 
     
 

Vielleicht zwar ist auch der Patriot bei mir nicht ganz erstickt, obgleich das Lob eines eifrigen Patrioten, nach meiner Denkungsart, das allerletzte ist, wonach ich geizen würde; daü ich ein Weltbürger sein sollte. Ich habe überhaupt von der Liebe des Vaterlandes (es tut mir leid, daü ich Ihnen vielleicht meine Schande gestehen muü) keinen Begriff, und sie scheinet mir aufs höchste eine heroische Schwachheit, die ich gern entbehre.

Lessing an Gleim

Es trifft sich wohl, daü mitten unter den Greueln einer Schlacht, mitten in den Schrecken einer Feuersbrunst oder sonst eines traurigen Verhängnisses, ein Einfall, eine ungefähre Posse, trotz aller Beängstigung, trotz alles Mitleids, das unbändigste Lachen erregt. Man befahl, in der Schlacht bei Speyern, einem Regimente, daü es keinen Pardon geben sollte. Ein deutscher Offizier bat darum, und der Franzose, den er darum bat, antwortete: Bitten Sie, mein Herr, was Sie wollen; nur das Leben nicht; damit kann ich unmöglich dienen! Diese Naivität ging sogleich von Mund zu Munde; man lachte und metzelte.

Lessing, Hamburgische Dramaturgie

In der beiliegenden Bestelliste biete ich Ihnen Minna von Barnhelm oder Das Soldatenglück in drei Variationen an, auüerdem die oben erwähnte Hamburgische Dramaturgie. Natürlich kann ich Ihnen alle Werke des deutschen Klassikers Gotthold Ephraim Lessing besorgen.

Womit soll ich beginnen: mit dem Theaterstück oder mit seinem Dichter? Beides ist hochinteressant: das Lustspiel in fünf Akten Minna von Barnhelm oder Das Soldatenglück und der Dichter Gotthold Ephraim Lessing. Beides ist so eng miteinander verbunden, daü allein diese Tatsache Ursache dafür sein wird, daü Lessing, deutscher Klassiker, in dem Bewuütsein von uns Deutschen viel weniger verankert ist, als z.B. Goethe oder Schiller. Ich habe, zugegeben sehr wahllos, im Internet die Spielpläne der Theater von sechs Städten, Hamburg, München, Augsburg, Frankfurt am Main, Dresden und Halle "durchgesehen" und kein einziges Stück von Lessing entdeckt. Dafür gibt es aber interessanterweise eine Internet - Adresse - http.//www.bs-net.de/kultur/theater/minna_von_barnhelm.html - wo Sie sogar den gesamten Text des Lustspiels runterladen können. Also, noch scheint es mit dem Bewuütsein von deutscher Kultur bei uns Deutschen nicht ganz so schlimm zu stehen.
Ich nehme an, daü Lessing schon damals - 1763 - seine Schwierigkeiten mit der Zensur hatte. Ohne in die Tiefen der heutigen Praxen der sehr vielseitig gewordenen Zensuren zu gehen, nehme ich an, daü die Bezeichnung Lustspiel schon damals Sand in die Augen der Politicalcorrectness - Vertreter war. Es darf zwar ab und zu gelacht werden, aber ein Lustspiel ist es nicht.
Es ist ein ernstes Stück, um Krieg, um Liebe, um Emanzipation und, nicht zuletzt, um die Ehre. Bei der Ehre, ich fange mit dem letzten und schwierigsten Begriff an, handelt es sich nicht um die Primitivform, wie z.B. den Sammelbegriff die Ehre des deutschen Soldaten, wo ein jeder schnell nicht satifikationsfähig erklärt werden kann, sondern es handelt sich um die Ehre eines preuüischen Majors, der mitten im Siebenjährigen Krieg (1756 bis 1763) des preuüischen Königs Friedrich II, um Frieden zu bewahren und Menschenrechte zu gewähren, auf Plünderung und Zwangs - Kontribution in Thüringen (Sachsen) verzichtet hatte, Vereinbarungen für eine zivile materielle Abwicklung schloü und aus eigenem Vermögen Geld verauslagte. Daü das einigen Kommiüköpfen in Preuüen miüfiel, war klar: der Major von Tellheim wurde verabschiedet und geriet in Zahlungsschwierigkeiten. Dies schlug auf seine Ehre, nicht weil er versucht hatte, Frieden und Menschenrechte zu bewahren. Mit Krieg und dem mörderischen Töten wollte Tellheim schon lange nichts mehr zu tun haben.
Es ehrt den König, daü dieser, nachdem er von der Kabale erfahren, seinen Major aus den Verstrickungen befreite. Vorher aber kam das Fräulein Minna von Barnhelm, reich und verliebt in den Ritter, der ihre Heimat verschonte, in das sachsenfeindliche Berlin, um den seit sechs Monaten Verschollenen zu suchen. Minna läüt sich von der gleichaltrigen Zofe Franziska begleiten, die mit ihr zusammen erzogen worden und die eine Vertraute besonderer Art ist. Es sind, so würde man heute sagen, zwei emanzipierte junge Damen, die beide genau wissen, was zu wollen, die eine ihren Ritter und die andere schlieülich auch ihren Paul Werner, gewesener Wachtmeister des Majors, ein Vorbild an Selbstlosigkeit. Für die damalige Zeit ist die Selbstbestimmung zweier "unmündiger" und zumal noch junger Frauenzimmer - so nehme ich an - ein 'Verstoü gegen die guten Sitten", was u.a. zu der Bezeichnung Lustspiel führte..
Die Geschichte von Minna von Barnhelm und Major von Tellheim geht im wahrsten Sinne des Wortes "unentschieden" aus; die Geschichte zwischen Franziska und ihrem Paul hat ein glückliches Ende.
Ich sah Minna von Barnhelm oder Das Saldatenglück am 17. Dezember 1999 in dem Berliner Theater Die Kammerspiele in der Schumannstraüe. Es war eine "moderne" Aufführung, ohne historische Kostüme und historisierende Kulissen. Zu Anfang bekam ich einen Schreck. Es ist schon eine besondere Sache: die alte Sprache Lessings und die desillusionierende Kleidung der Jetztzeit. Das Stück ist dadurch scharfkantiger geworden, angesichts ehrloser Panzerverkäufe, der ehrlosen Verwüstung Jugoslawiens bzw. des Kosovo und angesichts der ehrlosen tschechenischen Katastrophe. Weder ein Friedrich II., noch ein Tellheim, noch eine Minna ist in diesen Tagen zu erblicken.
Minna von Barnhelm oder Das Soldatenglück wäre nicht von Lessing, wenn es nur die hervorgehobenen Facetten hätte. So manchen Zuschauer und/ oder Leser mag ein anderer Handlungsstrang wesentlicher sein. Aber vielleicht, vielleicht, sind Sie nun interessiert, sich mit dem Stück und Lessing zu befassen? Das wäre der gröüte Erfolg dieser Besprechung.
Das Theater war nur durch Schulklassen gefüllt, und ich wäre neugierig, was über Mnna von Barnhelm in Schulaufsätzen erzählt wird. Es war ein gutes Spiel und das Ensemble der Kammerspiele ist sehr zu loben.
Lessing war Weltbürger, und das deutsche Bildungsbürgertum (und nicht nur das deutsche) gab sich patriotisch bis nationalistisch, und gibt sich heute, im Jahr 2000 - zur Sicherung der Rohstoffquellen - internationalistisch. Gotthold Ephraim Lessing, der Weltbürger, lebte von 1729 bis 1781.

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Irgendwo las ich die Bemerkung, daü es viel schwieriger sei, ein Lustspiel wirkungsvoll zu inszenieren als ein Trauerspiel. Noch schwieriger erscheint es mir dann, wenn das Lustspiel einen allzu banalen Inhalt hat. Bei Goldonis Der Diener zweier Herren - il servitore di due padroni ist es dem Schloüpark - Theater in Berlin - Steglitz gelungen, das ca. 250 Jahre alte Stück in einer lebhaften komödiantischen und zirzensichen Form zu präsentieren.
Ich sah das Stück am 19. Januar. Im Programmheft steht hinter dem Wort Inszenierung: nach Franz Matter von Marcello de Nardo. Schade, daü das Programmheft, teuer genug, nichts Näheres über diese beiden Herren verrät. Marcello de Nardo spielt vorzüglich den Diener Truffaldino, nachdem das Stück benannt ist, den Diener zweier Herren. Es geht um ein Liebespaar, sie als Mann verkleidet, welches getrennt nach Venedig flieht und nichtsahnend den gleichen Diener engagiert. Die Verschwörungen und Verwechslungen führen zu grotesken Szenen. Ein glückliches Ende ist der Komödie Ehrensache.
Carlo Goldoni, italienischer Lustspieldichter, wurde am 26. Februar 1707 in Venedig geboren und starb am 6. Februar 1793 in Paris. Er hat nicht nur zahlreiche und erfolgreiche Lustspiele verfaüt - er gilt auch als Erneuerer des italienischen Theaters. Von Beruf war er Rechtsanwalt und zeitweise Notar, zuletzt aber Italienisch - Lehrer der Töchter Ludwig XV. in Frankreich, was ihn dann in die Wirren der Revolution trieb. Er starb verarmt und erblindet; sein Grab ist unbekannt.
Der 19. Januar war ein Mittwoch; das Theater war schlecht besucht, höchstens Zweidrittel der Plätze waren besetzt Erfreuerlicherweise waren viele junge Menschen zu sehen.

 
     
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