Dieter Kersten - Juli / August 1998    
Vernissage: Carpenter
Oper: Wagner "Lohengrin"
Theater: Heinrich - Heine - Revue "Deutschland, ein Wintermärchen"
Theater: Yeldham "Geteilte Freude"
 
     
 

Am 2. April 1998 nahm ich eine Einladung zu einer Vernissage von Jeff Carpenter, veranstaltet durch die Berliner Bank (Bankgesellschaft Berlin) in ihrer alten Zentrale in Berlin - Charlottenburg, wahr. Es ist sehr erfreulich, daü die Banken, sonst nicht gerade die von mir politisch favorisierten Institute, verstärkt kulturelle Aufgaben übernehmen. Jeff Carpenter ist ein US-Amerikaner, der in Öl auf Leinwand Landkarten übermalt, und zwar so, daü bei näherem Hinsehen diese Landkarten erkennbar sind. Fast alle Bilder sind groüflächig, und, wenn ich es mit meinen Worten beschreibe, in einem "architektonischen" Stil gemalt, sehr oft mit Ausblicken und Fenstern, sehr viel mit Licht und Schatten und sehr oft mit der Bevorzugung der hellblauen Farbe. Die Bilder konnten erworben werden; die Preise zwischen DM 6000,-- und DM 24 000,-- luden nicht gerade dazu ein, ein solches zu erwerben. Ich kann mir diese Ölgemälde auch nur in sehr modernen, groüzügig gebauten und gestalteten Wohnungen vorstellen, oder in modernen Büros (wie z.B. die einer Bank). Es ist Kunst für die Reichen, keine Volkskunst. Der Röhrende Hirsch über dem Schlafzimmerdoppelbett ist durch diese Kunst nicht zu ersetzen.

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Es kann durchaus so sein, daü die Liebe so groü ist, daü man sich einem Menschen völlig anvertraut. Ist dieser Mensch, den man liebt, auch noch der Retter in der Not, dann ist das Anvertrauen noch gröüer. Liebe ist ja etwas metaphysisches, ein schwer faübares Gefühl, welches bei den Menschen sehr unterschiedlich empfunden wird. Ich sah und hörte am 30. April in der Charlottenburger Oper Wagners LOHENGRIN, eine Romantische Oper in 3 Akten, Spielzeit einschlieülich zwei Pausen viereinhalb Stunden. In dieser Oper spielt die Liebe eine besondere, ja, eine merkwürdige Rolle. Elsa, Fürstentochter von Brabant, vertraut sich einem Ritter an, der ihr verbietet, nach seiner Herkunft und Namen zu fragen. Er verlangt sozusagen die absolute Liebe von ihr. Die damit verbundende Selbstentsagung ist uns Menschen meiner Ansicht nach nicht gegeben. Wir sind erst durch unseren Namen. Unser Name ist gleichzeitig unsere Herkunft. Können Sie sich vorstellen, einen Menschen zu lieben, den Sie nicht beim Namen nennen dürfen bzw. können, weil Sie ihn nicht kennen? Ich nicht! Für mich ist das keine Romantische Oper, sondern eine Phantastische Oper.
Es war die 38. Aufführung seit der Premi- ere am 23. Juni 1990. Die Inszenierung stammt vom Hausherrn Götz Friedrich. Viel Romantik hat die Oper auch an die moderne Inszenierung abgeben müssen, was u.a. mit der schlecht eingesetzten neuen Technik zu tun hat. Der Schwan wird jetzt mit elektrischen Spielereien in der äuüertsen Tiefe der Bühne angezeigt. Die Rüstung des Titelhelden hat mehr mit einer verfremdeten Astronautenkleidung zu tun als mit der Rüstung eines deutschen Recken. Ein Teil der stolzen Ritterschaft ist in Uniformen gesteckt worden, die wie eine miüglückte Kreuzung von SS - und Polizeiuniform aussehen. Ich weiü nicht, was das bedeuten soll. Will Friedrich persiflieren, weil es sich um eine deutsche Sage handelt? Dann soll er lieber die Finger vom Thema lassen. Wagner ist eben Wagner.
Übrig bleibt die vorzügliche Musik Wagners unter der ebenfalls vorzüglichen Stabführung von Christian Thielemann und die durchweg stimmlich exzellenten Gesangssolisten und der sehr gute Chor.
Die Oper entstand in der Zeit von 1845- 1848, also in einer politisch stürmischen Zeit. Der Königlich-Sächsische Hofkapellmeister Richard Wagner stand während der 1848er Revolution waffenlos (!!) auf den Dresdner Barrikaden und muüte dann als Asylsuchender in die Schweiz fliehen. Der sächsische Intendant von Lüttichau verbot die Aufführung von LOHENGRIN, so daü die Uraufführung erst 1850 unter der Stabführung von Franz Liszt - in Abwesenheit des Meisters - in Weimar stattfinden konnte.

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Am 22. Mai sah und hörte ich zusammen mit zwei Freunden in der Tribüne, Otto - Suhr - Allee in Berlin - Charlottenburg Deutschland, ein Wintermärchen, eine Heinrich - Heine - Revue. Den Begriff Revue hatte ich auf der Vorankündigung überlesen und es war mir unklar, wie Lyrik ohne Dramaturgie auf die Bühne gebracht werden kann. Es konnte, denn das, was geboten wurde, war ein Spiegel deutscher Seele, geschickt und amüsant zusammengesetzt aus Heine-Texten. Sechs Schauspieler, darunter eine Frau, sangen, musizierten und sprachen deutsche Geschichte des vorigen Jahrhunderts. Heine, der lange Zeit in Paris lebte, war ein sehr kritischer Begleiter deutscher Innenpolitik der damaligen Zeit. Er konnte das tun, weil er als Asylant im damals freieren Frankreich nicht nur geduldet, sondern geschätzt wurde.
Einer meiner Freunde kam gerade aus Neuruppin, einer der Fontane - Feier - Städte und es tauchte die Frage auf, ob Heine und Fontane sich begegnet sind. Heine ist am 13. Dezember 1797 in Düsseldorf zur Welt gekommen und starb am 17. Februar 1856, Fontane wurde am 30. Dezember 1819 in Neuruppin geboren und starb am 20. September 1898 in Berlin. Als Heine in Berlin studierte - 1824 - war Fontane fünf Jahre alt.
Um es kurz zu machen, Heine und Fontane sind sich nie begegnet. Es ist jedoch bekannt, daü Fontane Heine-Texte fleiüig gelesen hat. Dennoch, und das ist meine These, sind Heine und Fontane zu unterschiedlich, um in einem Atemzug genannt zu werden. Sie sind literarisch unterschiedlich, aber auch in ihrer politischen Entwicklung. Indem Heine seiner sehr liebevollen Deutschlandkritik bis zuletzt treu geblieben ist, hat sich Fontane von einem kritischen Menschen zu einem kaisertreuen Rechtskonservativen entwickelt. Ich will damit keinesfalls Fontane literarisch herabsetzen, sondern ich will damit sagen, daü beide sehr unterschiedliche Wege beschritten haben.
Noch einmal zurück zur Tribüne. Die Vorstellung war gut besucht (zweidrittel der Plätze waren besetzt). Beim begeisterten Schluüapplaus kam dann die Klage der Schauspieler, daü die Tribüne als Spielstätte gefährdet sei, weil die staatlichen Subventionen gekürzt werden. Ich bin gegen Subventionen, aber für eine Förderung der Kultur. Dieses scheinbar Widersprüchliche kann nur über den Bildungs- (Kultur - ) Gutschein aufgelöst werden, den jeder Bürger Zeit seines Lebens erhält und mit dem Gegenwert er bestimmen kann, welche Kultureinrichtungen er aufrecht erhalten will, natürlich auch durch seine Akzeptanz als Besucher bzw. Nutzer.

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Boulevard: Am 15. Juni sah ich im äuüerst schwach besuchten THEATER AM KURFÜRSTENDAMM Geteilte Freude von Peter Yeldham. Boulevard-Theater funktioniert ja am besten, wenn das richtige Thema (möglichst unpolitisch), die richtigen Pointen und die richtigen Schauspieler zusammen kommen. Alles das trifft auf Geteilte Freude zu. Beziehungskisten, gewürzt mit Emanzipierungsanstrengungen einer Frau, hilflose Männer, ein wenig Sex mit Worten und lustigen Pointen, ja, das ist eigentlich der Inhalt des ganzen Stückes. Fünf Personen, Gaby Gasser, Stefan Behrens, Renate Blume, Cusch Jung und Ali Yigit, tummeln sich auf der Bühne. Normalerweise, denke ich, wäre das Theater besser besucht gewesen, wenn nicht diese Fuüballweltmeisterschaft die Leute (auch sonst ganz verständige) in Massenhysterie vor der Glotze versammelt hätte.
Peter Yeldham ist als australischer Fernseh - und Filmautor lt. teurem Programmheft ein international bekannter Mann. Mehr kann ich Ihnen leider nicht mitteilen, aber vielleicht reicht das auch schon.

 
     
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