Dieter Kersten - Februar 1997    
Ballett: Bara & Hengst "Die Schneekönigin"
Oper: Wagner "Das Rheingold"
Theater: Sherman "Der muß es sein"
 
     
 

In dem Ballett - Führer (1996 Phillipp Reclam jun., Stuttgart) steht in der Einleitung eine interessante Zusammenfassung der Geschichte des Balletts. Ich kann das nicht alles zitieren; nur einige Sätze bringe ich zur Einstimmung auf meinen Bericht über eine Ballettaufführung. Es steht da unter vielem: Das klassische Ballett ist ein Kind der Renaissance. ..... Das klassische Ballett ist mediterran, der Aus-druckstanz germanisch; das erste ist extrovertiert, der letztere introvertiert; es ist rational, er ist irrational; es strebt in die Luft, er bleibt bodenverhaftet. ..... Für das klassische Ballett gibt es keinen anderen Bezug als den Menschen hier und heute im Mittelpunkt alles Seins. .....
Ich beginne so langsam, das Ballett zu verstehen und zu lieben. Das liegt natürlich an den vorzüglichen Vorstellungen, die ich in der letzten Zeit besuchen durfte. Am 15. Dezember 1996 sah und hörte ich DIE SCHNEEKÖNIGIN, in der Deutschen Oper in Berlin - Charlottenburg, Tanzmärchen für kleine und groüe Leute von Ray Bara und Franzis Hengst nach dem Märchen von Hans Christian Andersen, Musik von Alexander Glasunow, zusammengestellt von Ray Barra und Michael Heise. In dem erwähnten Ballettführer erhoffte ich über das Stück mehr als durch das Programmheft zu erfahren. So ganz nebenbei erfährt man im Programmheft, daü die Musik von Alexander Glasunow ursprünglich einer anderen Choreographie zu gehören schien, nämlich dem Ballett Raymonda. Ich weiü nicht, weshalb so eine Information nicht klar und deutlich im Programmheft vermerkt ist, auch dann, wenn die Musik, was möglich ist, aus den beiden "Ur" - Balletten Raymonda und Die Jahreszeiten entnommen sein sollte. Dies ist meine Vermutung. Wenn es so ist, dann wäre es doch interessant und mitteilungswert. Es geht in diesem Stück um den Spiegel und den Zauberer (der Teufel), um das Pärchen Gerda und Kay, um die Liebe und die Rose, um die Verführung durch die Schneekönigin, ihre Kälte und ihre Wirksamkeit auf einen (ungefestigten) jungen Mann Kay. Die Liebe von Gerda läüt Kay zum Mann werden, anders ausgedrückt, Kay überwindet seine spätpupertäre Phase durch die Liebe des Mädchens Gerda. Das Alles ist durch Musik, Tanz und Bühnenbild vorzüglich dargestellt.
Raymonda wurde, und das entnehme ich dem Programmheft, am 7. Januar 1898 im Petersburger Marien - Theater mit groüem Erfolg erstaufgeführt. Die Premiere in der Fassung DIE SCHNEEKÖNIGIN fand am 25. November 1995 in Berlin statt und ich sah und hörte die 17. Aufführung.
Alexander Konstantinowitsch Glasunow wurde am 10 August 1865 in St. Petersburg geboren und starb am 21. März 1936 in Boulogne bei Paris. Als Schüler von Rimski-Korsakow und Mili Balakirews und Freund von Tschaikowsky gehört Glasunow zur besten russischen Ballett - Komponisten - Generation.
Wer auch immer mit Kindern zu tun hat, sollte sie zum Ballett DIE SCHNEEKÖNIGIN mitnehmen. Ich sah Kinder im noch nicht schulpflichtigen Alter, die offensichtlich viel Freude hatten.

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Ich habe vergeblich gesucht und ich bin nicht fündig geworden. Habe ich schon einmal über DAS RHEINGOLD berichtet oder habe ich nicht? Mir ist ja schon mal geraten worden, ein Jahresregister anzufertigen, aber bisher ist es mir nicht gelungen.
DER RING DES NIBELUNGEN, Ein Bühnenfestspiel für drei Tage und einen Vorabend ist ja zusammen mit dem Vorabend DAS RHEINGOLD als ein künstlerisch Ganzes anzusehen. Vor Jahren habe ich mich schon einmal mit Texten von Richard Wagner auseinandergesetzt und war von der dichterischen Qualität sehr angetan. Was die Musik betrifft, so habe ich ein ziemlich schwankendes Verhältnis zu Wagner. Einerseits - wenn ich in den Opern - Führern und im Programmheft die Beschreibungen der Musik lese, nicke ich mit dem Kopf, auf der anderen Seite bin ich im ersten Teil der Oper DAS RHEINGOLD fast eingeschlafen. Ich hatte Mühe die Haltung zu bewahren und erinnerte mich an die Berichte meiner Mutter über meinen, in Wagner - Opern, schnarchenden Groüvater. Alles sehr peinlich - oder? Erst die Unterwelt des Zwerges Alberich weckte mich richtig auf.
Das literarische Thema des RINGES erscheint vielen so urdeutsch wie möglich. Ich bin geneigt, dieses Urteil in einer Zeit der kulturellen Nivellierungen hinzunehmen, weil unser Volk etwas braucht, mit dem es sich identifizieren kann. Aber in diesem Thema gibt es auch ein blutiges Ende. Wagner war kein Endzeit - Apostel, weder was das deutsche Volk, noch was die Menschheit betrifft. Aber Wagner hat, was die Oper DAS RHEINGOLD und was DER RING DES NIBELUNGEN betrifft, den Deutschen einen Spiegel vorhalten wollen. Er war ja schlieülich ein Revolutionär gewesen und er hat in seiner Person die Spannungen des 19. Jahrhunderts mehr als so mancher andere Künstler ausgehalten (oder auch aushalten müssen).
Ich sah und hörte die Oper am 10. Januar 1997 in der DEUTSCHEN OPER BERLIN in der Bismarckstraüe. Es war die 33. Aufführung seit der Premiere am 16. September 1984. Die Inszenierung stammt vom Intendanten Götz Friedrich höchstpersönlich, die musikalische Leitung der Aufführung hatte Jiri Kout. Das Bühnen- bild, technisch sehr gut variabel, war bestimmt von einem Tunnel, der gleichzeitig als der Fluü Rhein aber auch als ein Zeitentunnel begreifbar war. Die Bilder im Hintergrund waren schwer erkennbar, was vielleicht mit meiner Sehschwäche zu tun hat. Vielleicht hing es aber auch von einer schlechten Beleuchtung ab. Das grelle Licht am Ende war sicher gewollt, aber zutiefst unangenehm; ich kann mir durchaus vorstellen, daü dieser Effekt, ohne dem Auge eines Zuschauers zu schaden, anders zu erreichen ist. Es wäre sehr gut, wenn einer der Beleuchter sich in die 1. Reihe des 2. Ranges setzen würde. Orchester und Singstimmen waren vorzüglich. Ausgeklammert ist dabei meine wiederholte Klage, daü Sängerinnen und Sänger nicht zu verstehen sind, da sie offensichtlich bei ihrer Ausbildung die Artikulierung der Sprache nicht richtig gelernt haben.
Ein Lob muü ich diesmal dem Programmheft aussprechen, welches eine gute Einführung in das Werk Richard Wagners ist.
Richard Wagner wurde am 22. Mai 1813 in Leipzig geboren und starb am 13. Februar 1883 in Venedig. Er ist einer der umstrittensten Künstlerpersönlichkeiten der deutschen Kulturgeschichte. Wagner war voll und ganz Kind seiner Zeit; er ist nicht nur Künstler gewesen - er hat politisch Stellung bezogen. Das haben ihm viele übelgenommen.
Ich weise Sie auf den Beitrag von Peter Wapnwski hin, der dem Kleinen Kulturhohlspiegel folgt.

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Am 16. Januar 1997 war ich mal wieder im THEATER AM KURFÜRSTENDAMM und habe mir ein wirklich gutes Boulevard - Theaterstück angesehen: Der muß es sein, eine romantische Komödie von James Sherman. Die Schauspieler waren Inge Wolffberg, Peter Schiff, Verena Wengler, René Heinersdorff, Norbert Hecker, Frank Muth, Istan Verebes. Ich nenne die Schauspieler deshalb, weil mein Neffe Jan, der mich diesmal begleitete, meinte, den ein oder anderen aus dem Fernsehen zu kennen. Ich komme mir dann immer wie ein neugeborenes Kind vor, denn - so selten ich fernsehe, so wenig kenne ich Personen, geschweige denn ihre Namen. Es war eine flott gespielte Familienkomödie, die ihre Premiere am 10. Januar 1997 hatte. Also ein ganz frisches Stück sozusagen, von dem ich hoffe, daü es noch eine Weile gespielt wird. Leider war das nichtsubventionierte Privattheater nur zur Hälfte gefüllt, so daü meine Hoffnung wahrscheinlich ein unerfüllbarer Wunsch bleibt.
Die Inhaltsangabe entnehme ich am besten dem Programmheft (kursiv), wobei ich in normaler Schrift und in Klammern einige Bemerkungen dazu mache. Liebeswirren in einer jüdischen Familie. Bisher war noch immer alles gutgegangen. Sarah Goldmann konnte ihren jeweiligen Freund dem Zugriff der Familie entziehen. Doch diesmal steht sie mit dem Rücken zur Wand, den Donald, der Neue, "ist keiner von ihnen" (nicht jüdisch - Tochter Sarah meint, ihre Eltern würden nur einen jüdischen Freund/Schwiegersohn akzeptieren). Die Familie will den Auserkorenen nun aber endlich kennenlernen. Widerstand zwecklos. Flugs bestellt die brave Tochter sich einen passenden Mann bei der Begleitagentur "Mich schickt der Himmel" und stellt ihn als Dar. David Steinberg (als jüdischen Arzt) vor. Eigentlich handelt es sich um den Schauspieler Bob, der bei Vater (von Sarah) Abes Geburtstagsfeier so gut ankommt, daü sogar Mutter Miriam ins Schwärmen gerät. Nur Joel (der Bruder von Sarah), von Beruf Psychotherapeut, ist nicht so schnell zu überzeugen - und seine Zweifel sind berechtigt, denn Bobs Jiddisch - Kenntnisse stammen aus dem Musical "Anatevka". Donald, Sarahs eigentliche Herzenswahl, glaubt noch an einen vorübergehenden Störfall. Bobs Auftritt war jedoch so erfolgreich - auch bei Sarah - daü er zum Seder - Fest (jüdisches Fest - der Zuschauer lernt einiges über jüdische Gebräuche) wieder angefordert wird. Die Frage nach der Wahrheit stellt sich zwangsläufig ....
James Sherman, der Verfasser des Stückes, wird im Programmheft folgendermaüen vorgestellt: Er ist ein ausgebildeter Schauspieler und Absolvent zweier Universitäten, der Northeastern Illinois University und der Brandeis University. Er schreibt Stücke wie "Magic Time", "The Gos of Isaac", "Mr. 80 %", "The Escape Artist" und "The old Man came rolling home". Zur Zeit arbeitet er als Hausautor am Victory Gardens Theatre in Chicago, wo "Der muü es sein" (Originaltitel "Beau Jest") der gröüte Publikumserfolg seit Gründung des Theaters war. Seit Oktober 1991 läuft "Der muü es sein" am Lambs Theatre am New Yorker Broadway vor ständig ausverkauftem Haus.

 
     
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