Dieter Kersten - Mai 1996    
Oper: Wagner "Tannhäuser und der Sängerkrieg auf der Wartburg"  
     
 
Am Karfreitag, den 5. April 1996, habe ich in der Charlottenburger Deutschen Oper TANNHÄUSER UND DER SÄNGERKRIEG AUF WARTBURG gesehen und gehört. Ich muß Schüler gewesen sein, also es muß vierzig Jahre oder mehr her sein, daß ich den TANNHÄUSER das erste Mal in Berlin im alten, provisorischen Haus, dem Theater des Westens, gesehen habe. Seitdem, ich muß es ehrlich gestehen, habe ich mich mit der Oper von Richard Wagner nicht auseinandergesetzt, ja, ich habe es wahrscheinlich auch damals nicht getan; es war die Musik, die mich als Schüler beeindruckte und die mich auch heute noch gefangen nimmt.

Mit dem Text - dem Inhalt der Oper - komme ich nicht klar. Das hat wahrscheinlich auch damit zu tun, daß ich den Herrn Wagner für einen aufgeklärten Menschen seines Jahrhunderts hielt, und nun: die Oper zeigt, daß er eng verflochten ist mit der christlichen Schuld und Sühne Ideologie mit dem Papst an der Spitze. Dieses Kreuz, das da über die Bühne getragen wird, wird in alter christlicher Tradition zur Vernichtung von Menschen mißbraucht; es wird flach über die Bühne getragen, und wenn es mal aufgerichtet wird, so hängt zu aller Schrecken der Heiland immer noch daran und keiner kommt mildtätig auf die Idee, ihn endlich abzu- nehmen.

Was könnte heiliger sein als der Eros, die Liebe, auch die Liebe in allen ihren praktischen Varianten, und nicht die abstrakte Liebe zu einer abstrakten Idee, wie Gott? Und was ist wichtiger? Die Selbstbestimmung, die eigene Entscheidung, oder die Fremdbestimmung, z.B. durch einen Papst, der vom Eros vermutlich keine Ahnung hat?

Götz Friedrich, der Hausherr, hat den TANNHÄUSER inszeniert und schreibt u.a. dazu im Programmheft: >> Der Sängerkrieg auf Wartburg << deckt es auf. Das Fest, unter das Motto von >> Kunst und Frieden << gestellt, soll nach vorgegebenem Ritual ablaufen und gekrönt werden dadurch, daß der Sieger - manipulierende Staatsräson hofft : Tannhäuser - den höchsten Preis erringt, die Hand Elisabeths. Aber Tannhäuser ist närrisch genug, anzunehmen, es ginge bei dem gestellten Thema << Könnt ihr der Liebe Wesen mir ergründen? << wirklich um Wahrheitsfindung. Statt reihenweise vorgetragener Statements will und sucht er den offenen, ehrlichen Disput. Das aber ist ungewöhnlich. Das ist zu modern. Man droht mit Waffen, Das provoziert Tannhäuser zur Provokation. Er besingt Venus. Damit verletzt er alle Tabus.

Diese Verletzung des Tabus ist zwar als solche zu erkennen, sie wird vom Dichter und Komponisten jedoch nicht aufgenommen. Für mich ist der TANNHÄUSER vom Text her ein besonders antiquiertes Stück.

Das Urteil fällt um so schwerer, da es eine vorzügliche Einheit zwischen Musik und Handlung gibt. Wagner ist eben ein Meister seines Faches gewesen. Die musikalische Leitung der Aufführung hatte Ulf Schirmer. Er erntete Buhrufe, als er am Schluß auf die Bühne kam und beim Herausgehen hörte ich, daß die Bläser Probleme gehabt haben sollen. Ich habe es nicht gehört; ich bin aber auch kein "gelernter" Musikfachmann. Die Partie des Tannhäuser hat Wolfgang Neumann gesungen, der auch in Bayreuth die Titelpartie singt. Alle Akteure haben gut gespielt und gesungen. Es war die 23. Aufführung seit der Premiere am 15. Februar 1992.

Tannhäuser, 2. Aufzug, 4. Auftritt:

Dir, Göttin der Liebe, soll mein Lied ertönen!
Gesungen laut sei jetzt dein Preis von mir!
Dein süßer Reiz ist Quelle alles Schönen,
und jedes holde Wunder stammt von dir.
Wer dich mit Glut in seinen Arm geschlossen,
was Liebe ist, kennt er, nur er allein: - -
Armsel'ge die ihr Liebe nie genossen,
zieht hin, zieht in den Berg der Venus ein!

Tannhäuser, 3. Aufzug, 3. Auftritt:

"Hast du so böse Lust geteilt,
dich an der Hölle Glut entflammt,
hast du im Venusberg geweilt:
so bist nun ewig du verdammt!
Wie dieser Stab in meiner Hand
nie mehr sich schmückt mit frischem Grün,
kann nun der Hölle heißem Brand
Erlösung nimmer dir erblühn! --"

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Zu Dir, Frau Venus, kehr' ich wieder,
in deiner Zauber holde Nacht;
zu deinem Hof steig' ich darnieder,
wo nun dein Reiz mir ewig lacht!

und Heinrich Heine läßt in seinem Gedicht TANNHÄUSER berichten:

Zu Göttingen blüht die Wissenschaft,
Doch bringt sie keine Früchte.
Ich kam dort durch in stockfinstrer Nacht,
Sah nirgendwo ein Lichte

 
     
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