Dieter Kersten - September / Oktober 2012    
Editorial    
     
 

Liebe Freunde, sehr geehrte Damen und Herren,

Teile der  SPD fordern eine gesamteuropäische Schuldenübernahme bei einheitlichem europäischen Ausgabenmanagement. Das verwirklicht, würde bedeuten, daß alle EU-Staaten für die Staatsschulden aller EU-Staaten haften. Ich schlage als Vorsitzenden des Schuldenübernahme-Komitees (meine „moderne“ Abkürzung „SÜK“) Herrn Wowereit (SPD und noch Regierender Bürgermeister von Berlin [Ministerpräsident]) und Herrn Platzek (SPD und noch Ministerpräsident von Brandenburg) vor, die in Sachen Flughafen  BER Willy Brandt ihre großen Fähigkeiten für Schuldenmanagement und Schuldenmachen bewiesen haben. Die aufopfernde Tätigkeit der beiden Herren, auf Kosten der Steuerzahler Politik zu gestalten,  kann ja insofern von den Bürgern Europas (den Steuerzahlern) honoriert werden, daß Europa die Schulden für den Flughafen BER Willy Brandt per Umlage übernimmt. Europa hat 740 Millionen Einwohner. Da wir annehmen, daß der Flughafen, fertiggestellt, 7 Milliarden € und mehr kosten wird, einschließlich der Gehälter, Prämien, Aufwandsentschädigungen, Urlaubsgelder und Bestechungsgelder, das macht dann pro Europäer, naja, nicht auf den Cent gerechnet, 10-12 Euro pro Person aus. „Arm aber sexy“ sagt da der „Regierende“ Wowereit - unter dem fröhlichen Gejaule der Steuerzahler, wohl wissend, daß es keine Amtshaftung gibt.

Es gibt noch einen weiteren Ort des sozialdemokratischen Schuldenmachens: den Nürburgring.   Kurt Beck, immer noch sozialdemokratischer Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz, hat beim Ausbau des Nürburgringes mehr als gemauschelt. Wie in Berlin werden in Mainz die Steuerzahler für dumm verkauft. Die „direkte Demokratie, die  Oliver Wiedmann auf Seite 5 vorschlägt, wäre auch für den Nürburgring richtig gewesen.

Sozialdemokratische Herrscher scheinen immer noch an Minderwertigkeitskomplexen zu leiden. Sie wollen es immer wieder den Konservativen nachmachen und Paläste bauen. Vorbei ist vorbei! Mehr denn je müssen wir, das Volk, Mehr Demokratie zur Kontrolle der Palastbauer einführen.

Es wundert mich nicht, daß der italienische Ministerpräsident Mario Monti mit „demokratischer“ Selbstverständlichkeit fordert, daß die Regierungen unabhängiger von den Parlamenten werden sollen. Hoch lebe die europäische Diktatur. Monti hat seine Forderung sehr schnell zurückgenommen. Gut so. Aber daß ein intelligenter Mensch, der sich selbst als Demokrat versteht,  die Selbstbestimmung der europäischen Bürger in Frage stellt, nur um Aufmerksamkeit zu erlangen, das hat unsere Aufmerksamkeit verdient.

Dieses Thema Europa und Demokratie wird uns in Zukunft noch mehr beschäftigen. Ich verweise auch auf die Beiträge über Angela Merkel auf den Seiten Sechs und Sieben dieser Ausgabe: Keine Macht ist unendlich von Verena Schmitt-Roschmann und Ich sehe nicht, was ich nicht sehe von Stephan Hebel.

Bevor ich mich mit einem internationalen Thema befasse, erinnere ich  an den Feuertod von Hartmut Gründler vor 35 Jahren, am 16. November 1977,  in Hamburg, während eines SPD-Parteitages - aus Protest gegen die „fortgesetzten regierungs-amtlichen Falschinformationen“ in der Energiepolitik.

Ebenfalls zur Erinnerung: vor 20 Jahren, am 1. Oktober  1992  starb Petra Kelly. 1980 wurde Kelly Gründungsmitglied der Partei Die Grünen, deren Bundesvorstandssprecherin sie wurde. Zum ersten Bundesvorstand der GRÜNEN gehörte auch August Haußleiter. Ich habe den Eindruck, daß den GRÜNEN Petra Kelly und August Haußleiter peinlich sind = weil sie beide ihre politischen Standpunkte lebhaft und mit viel Witz und Verstand vertraten. Hinzu kommt noch, daß Petra Kelly eine engagierte Pazifistin war, was den GRÜNEN heute gar nicht in den Kram paßt.  Posten sind wichtiger als Frieden.

Szenenwechsel = der Krieg in Syrien. Mit rund 185.000 Quadratkilometern ist Syrien ungefähr halb so groß wie Deutschland. Syrien hatte, vor dem jetzigen Bürgerkrieg, ca. 21 Millionen Einwohner. Um über das bestehende Zugehörigkeitsgefühl zu ethnischen Gruppen und Familienclans hinausgehend ein syrisches Nationalbewußtsein zu entwickeln, wurden bei Volkszählungen zwar die Religionszugehörigkeit, nicht aber die Ethnien zahlenmäßig erfaßt.

Für mich kam der Bürgerkrieg in Syrien „aus heiterem Himmel“. Wir deutschen Beobachter wußten, daß Syrien und Israel eine gemeinsame Grenze und ein, sagen wir mal, auch ein gemeinsames Problem haben: die Golanhöhen. Diese strategisch wichtige Landschaft wurde vor 45 Jahren von den Israelis im Sechstagekrieg 1967 erobert.  Die syrische Armee marschierte im Laufe der Jahre mehrfach im Libanon ein.  Für die Öffentlichkeit galt Syrien immer so etwas wie eine Ordnungmacht im nahöstlichen Zuschnitt.

Die Herrscherfamilie al-Assad gehört zu der Ethnie Nusairier bzw. Alawiten, nach unterschiedlichen Angaben 8-12 % der Bevölkerung. Diese Alawiten in Syrien scheinen nicht vergleichbar zu sein mit den Alaviten in der Türkei. Obwohl ich versucht habe, einiges zu dem Thema zu lesen, bin ich inzwischen unsicher und sogar verwirrt. Eines scheint sicher zu sein, daß die Alawiten in Syrien Schiiten sind, wie in deutlicher Mehrheit die Iraner.

Die Kurden, eine andere wichtige Ethnie in Syrien, siedeln sowohl in der Türkei, im Iran und Irak und  sind offensichtlich in Mehrheit den Sunniten zuzuordnen. Sie werden, wie alle anderen Sunniten in Syrien,  von Saudi-Arabien und dessen Herrscherfamilie unterstützt, die wiederum einer islamischen Sekte, den Wahabiten, zugeordnet wird. Die Saudis sind Verbündete der USA.

Damit scheint klar zu sein, wo sich die militärischen/ideologischen Fronten befinden. Die Iraner sind Schiiten und sehen ihren Bündnispartner in der syrischen Herrscherfamilie al Assad. Syrien hat eine gemeinsame Grenze mit Israel. Syrien ist für den Iran ein wichtiger Bündnispartner in allen Auseinandersetzungen mit Israel. Der Bürgerkrieg dient politischen wie militärischen Positionsbestimmungen, auch gegenüber den USA.

Die Türkei scheint regelrecht Angst vor einer Stärkung der Kurden in Syrien zu haben. Die Türkei fürchtet einen kurdischen Staat.

Interessant ist noch die Stellung Rußlands und der Volksrepublik China zu dem syrischen Bürgerkrieg. Der Marine-Stützpunkt Rußlands ist längst geschlossen. Rußland und China geht es nur darum, die machtpolitischen Postionen der USA und der Türkei in diesem Gebiet zu stören.

Fast könnte man meinen, kleine Kinder spielen Krieg - auch wenn es für die beteiligten vor Ort bitter schlimm ist. Und die ganze schlaue Weltpolitik sieht zu.

Diese Seite, das Editorial, war für mich wieder eine Herausforderung! Die nächste Ausgabe des Kommentar- und Informationsbriefes erscheint im November.

Mir freundlichen Grüßen
Dieter Kersten

(abgeschlossen am 14. September 2012)
 
     
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