Dieter Kersten - November / Dezember 2010    
Editorial    
     
 

Liebe Freunde,   sehr geehrte Damen und Herren,

auf der Internetseite utopia.de fand ich den Bericht über eine Preisverleihung an die Initiatoren von Stadtgärten, in denen auf nachhaltige und natürliche Art und Weise Lebensmittel für den Eigenverbrauch, auch für den Nachbarn, gärtnerisch erzeugt werden. Ich fühlte mich an die Gärtnerhof-Bewegung erinnert, an Reinhold Hafner, über dessen Gärnerhof-Vorstellungen ich im Juni 2004 einen Artikel veröffentlicht hatte. Dieser Beitrag hatte die Überschrift Der Gärtnerhof als Fundament einer nachindustriellen Agrar-Kultur-Gesellschaft. Angesichts der Entvölkerung von Teilen Brandenburgs, aber auch angesichts einer notwendigen und modifizierten Entglobalisierung der Weltwirtschaft halte ich es für sehr notwendig, die Landwirtschaft als Gartenwirtschaft wieder etwas in den Vordergrund wirtschaftlichen und kulturellen Geschehens zu bringen. Stadtluft macht zwar frei, aber ernährt den Menschen nicht. Stadtgärten und Gärtnerhöfe auf dem Land schaffen neue Freiheitsräume.

Wo spielt zur Zeit die „politische Musik“, die unser Leben bestimmt, begleitet, ja, nur sehr selten auch erfreut?    Im undurchschaubaren China (1,330 Mrd. Einwohner)? Auf den Wirtschaftsmärkten zwischen Asien, Afrika, Amerika und Europa? Auf den Rohstoffmärkten dieser Erde? Bei oder in den ökologischen Katastrophen? Bei der immer noch herrschenden Wachstumseuphorie? In den Vereinigungen der Reichen und Mächtigen, wie das Weltwirtschaftsforum von Davos oder die „Bilderberger“? Die Liste läßt sich verlängern.

Obwohl wir Bürger, einfach, und aus der Sicht der „Eliten“ unwissend, Jahr für Jahr eine Schar von Professoren, Instituten, Thinktanks, selbstlos und weltweit finanzieren, sind die Anregungen, die aus den Instituten kommen, gering und meistens unbrauchbar. Sie dienen so genannten „Eliten“ und den parteiistischen Machthabern.

Die Demonstrationen gegen das Bahnprojekt Stuttgart 21 haben in Teilen der Bevölkerung und der Medien die Hoffnung geweckt, daß die Allein-Herrschaft der Parteien ein Ende haben wird. Ich habe diese Hoffnung auch und lasse mich  nicht durch die Einrede mancher Zeitgenossen stören, die im Funktionieren der Direkten Demokratie das Ende der Zivilisation sehen, „weil damit Großprojekte wie das in Stuttgart in Zukunft nicht möglich sein werden“. Als Beispiel muß der „Gotthard-Durchstich“ im Oktober d.J. mit der Behauptung herhalten, Industrie und Parteien in der Schweiz hätten hierbei freie Hand gehabt. Das Volk der Schweiz hat in einer Fülle von Volksbefragungen diesem Bauvorhaben zugestimmt. Jede Abstimmung war ein Abwägen von Risiken und Nutzen. Bestechungsgelder waren nicht nötig bzw, möglich. Natürlich ist auch Irrtum bei diesen Abstimmungen mit eingeschlossen.

Die Schweiz hat eine ganz andere Macke: Sie bezeichnet ihre weltweiten Geldgeschäfte als „Finanz>industrie<“. Gegen eine solche Perversion muß natürlich auch mit der „Direkten Demokratie“ vorgegangen werden, nicht nur in der Schweiz.

Ich habe versucht, den Beitrag auf Seite 2 ff über Stuttgart 21 zu kürzen, was mir nicht gelang. Liebe Leserin, lieber Leser, Sie sollten sich diesen Bericht „unter das Kopfkissen stecken“, denn wenn sich die politische Klasse und die unterschiedlichsten Profiteure durchsetzen und der unterirdische Bahnhof gebaut wird, dann können Sie nach zehn Jahren den technischen Fortschritt und  die finanzielle Wirklichkeit mit den Fantasien und Kalkulationen von heute vergleichen. Nirgendwo scheint die neudeutsche Klientel-Wirtschaft = Korruption so deutlich vorhanden zu sein wie in Stuttgart. Sollte der Bahnhof, wie von den Parteien und den Regierungen projektiert, gebaut werden, dann werden die Kosten weit über 11 Milliarden Euro liegen, die Trixereien bei den Endabrechnungen nicht mit eingerechnet.

Auf der einen Seite ehrt es den CDU-Politiker Heiner Geißler, in dem Konflikt zwischen den Befürwortern und den Gegnern von Stuttgart 21 vermitteln zu wollen. Auf der anderen Seite weiß ich nicht, was hier „Vermittlung“ bedeuten soll, wenn die Gegner den unterirdischen Bahnhof auf keinen Fall haben wollen. Es handelt sich bestenfalls um eine Anhörung der unterschiedlichen Standpunkte.

Heute, am 28. Oktober höre ich im Radio, daß der badenwürttembergische Landtag den Antrag der SPD abgelehnt hat, vor den Landtagswahlen eine Volksabstimmung über Stuttgart 21 zu veranlassen.

Es wird von den Befürwortern von Stuttgart 21 immer wieder behauptet, daß die Baubewilligungen alle baurechtlichen und parlamentarischen Hürden genommen haben.  Keiner von diesen Leuten hat nach der Akzeptanz des Projektes durch den Bürger gefragt. In den Vorplanungen der letzten zwanzig Jahre und nach gelegentlichen öffentlichen Diskussionen darüber hat die Zustimmung der Bürger zu dem Projekt Stuttgart 21 ständig abgenommen. Das war Öffentlichkeit und Parlament bekannt. Wäre Deutschland wirklich ein demokratischer Rechstsstaat, dann hätten die Bürger abstimmen müssen.

Ähnliches wie in Stuttgart auf der Schiene tut sich in Berlin in der Luft. Ich bin in Berlin immer mitleidig angesehen worden, wenn ich den Ausbau des Flughafen Schönefeld kritisiert habe.

In der ersten Hälfte der 1990er-Jahre lief ein aufwendiges Raumordnungsverfahren für den neuen Flughafen Berlin Brandenburg. 1994 belegte von den fünf in Betracht kommenden Standorten Schönefeld den fünften, also schlechtesten Platz. Die Entscheidung fiel jedoch auf Grund von massivem politischen Druck aus der Berliner Landespolitik (CDU= Regierender Bürgermeister Eberhard Diepgen) und aus bundespolitischer Seite zu Gunsten Schönefelds. Sperenberg (ehemaliger sowjetischer Flugplatz) errang den 1. Platz. Dieser Flugplatz ist so weit außerhalb Berlins, daß nur wenige Menschen vom Fluglärm bedroht gewesen wären. Eine Volksabstimmung in Berlin und Brandenburg über einen neuen Großflughafen mit allem notwendigen Austausch von gegensätzlichen Informationen und Meinungen hätte die Diskussionen über die Flugrouten deutlich versachlicht. Jede Volksabstimmung zwingt, wenn sie richtig initiiert ist, Volk und Staat zu einer Diskussion über die Ziele der Gesellschaft. Nichts ist wichtiger als das. Wichtig ist nicht, ob Wowereit oder Merkel oder irgendeiner dieser merkwürdigen Politiker seinen oder ihren Posten behält, sondern wichtig ist, daß unsere Kinder eine Zukunft haben.

Am 30. Oktober meldet die Berliner Tageszeitung DER TAGESSPIEGEL, daß die „alten“ Flugrouten, die bürgerfreundlichen, nach wie vor gelten sollen. Ein Sturm im Wasserglas? Wir werden sehen.

Ich wünsche Ihnen und Ihren Angehörigen ein FROHES WEIHNACHTSFEST und ein gesundes, glückliches Jahr 2011. Ich brauche mehr denn je Ihre Kraft, ihre Zuversicht, um Ihnen wenigstens alle zwei Monate Informationen und Beiträge zur politischen Neuordnung zu liefern. Sie sind mir hoffentlich nicht böse, wenn ich das erste Mal auf diese Art und Weise einen Stoßseufzer formuliere.

Ich danke Ihnen!

Die nächste Ausgabe des Kommentar- und Informationsbriefes NEUE POLITIK erscheint im Januar 2011.

Mit freundlichen Grüßen

Dieter Kersten

(Abgeschlossen 18. November 2010)

 
     
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