Dieter Kersten - Februar 2004    
Editorial    
     
 
Liebe Freunde, sehr geehrte Damen und Herren,

vor einigen Wochen, gerade als die Januar-Nummer mit den medizinisch-politischen Beiträgen gedruckt wurde, lauschte ich einem Gespräch zwischen einer jungen Medizinerin und einer etwas älteren Heilpraktikerin und stellte einmal mehr fest, daß die auf den Menschen bezogenen medizinischen Positionen gar nicht so weit auseinander liegen. Vorhandene gemeinsame Erkenntnisse bzw. Ergebnisse empirischer Forschung bzw. Beobachtung sind schnell festgestellt.. Bei der Umsetzung in die medizinisch-menschliche Praxis klafft noch eine große, entscheidende Lücke. Diese Lücke wird zum Schaden der Menschen von den materiellen Interessen der Pharmaindustrie und deren Paladine ausgefüllt, flankiert von der Angst der Menschen, medizinisch-therapeutische Freiheiten zu fordern, zu nutzen und zu geniessen. Die von mir geforderte Therapiefreiheit, vor allen Dingen auch im Blick auf das Krankenversicherungswesen, also bei der Bezahlung von Therapien außerhalb der Schulmedizin, muß von uns Bürgern noch durchgesetzt werden. Die Zeitschriften der "Gesetzlichen Krankenversicherungen (GKVs)" bringen zwar immer wieder alternative Therapievorschläge, ohne diese aber zu bezahlen.

Sehr wachsam müssen wir sein, wenn es um solche Schnellschüsse des Bundeskanzlers geht, wie die Anfang Januar begonnene Innovations-Kampagne, die sich schon längst wieder im Sande zu verlaufen scheint. Schröder verband seine Innovations-Rede mit der Aufforderung, über Risiken von Innovationen weder öffentlich nachzudenken noch zu diskutieren. Das hört sich sehr nach einem Auftrag der Wissenschafts-und Industrielobbyisten an den Kanzler an, Steuergelder ohne wenn und aber locker zu machen. Die im vorigen Jahrhundert in einem Zeitraum von fast hundert Jahren Hunderte von Milliarden gezahlten Dollars, DMs oder auch Euros aus dem Steueraufkommen aller Bürger aller Staaten haben die Atomforschung nicht menschlicher und nicht gesünder gemacht. Die Atombomben auf Hiroshima und Nagasaki und der Reaktorunfall von Tschernobyl sind nur die "Highlighs" einer breiten Blutspur "innovativer Forschung" à la Schröder. Wenn uns schon jetzt von Fachleuten aus dem In-und Ausland die Risiken von Nano-und Gen-Technologie erklärt werden, dann darf der Bürger nicht den Mund halten, auch wenn es dem Bundeskanzler und seinen Lobbyisten nicht gefällt Auf Seite 6 wird eine Innovation vorgestellt, die keinem Menschen schadet, und deren Waffenfähigkeit marginal ist. Ist das der Grund, weshalb diese neue Energietechnik in Forschung und Entwicklung nicht unterstützt wird? Es gibt leider genug Beispiele, daß gute Ideen erst dann gefördert wurden, als das Militär sie adoptierte.

Die Innovations-Kampagne des Bundeskanzlers betrifft geldintensive, spektakuläre Großforschung, mit deren Ergebnissen sich Politiker auch dann schmücken können, wenn sie Millionen von Toten zu Folge hat Ein weiteres Negativbeispiel ist die so genannte GRÜNE REVOLUTION, die radikale Chemisierung und Technisierung der Landwirtschaft überall auf dieser Erde, ohne Rücksicht auf die natürlichen und auch kulturellen Gegebenheiten in den sehr unterschiedlichen Regionen. Die Folge war und ist Hunger, wobei neben Zerstörung der Natur auch die gezielte Zerstörung von Kulturen (des kulturellen Umfeldes) verantwortlich ist. Für die Völker, für den Einzelnen, für den Unterprivilegierten, steht am Ende solcher unüberlegten Innovationen immer Elend, für die Lobbyisten und ihre Politiker bzw. Regierungen und Konzerne die Zunahme von Reichtum und Privilegien.

Die Diskussion der letzten Wochen war geprägt von der praktischen Durchsetzung der Inhalte der Agenda 2010. Neben der "Krankheits"-Politik ist die Sozialpolitik versus Bundesanstalt (Bundes"agentur") für Arbeit und ihren inzwischen entlassenen Vorstandsvorsitzenden Gerster ein Ereignis für die Medien gewesen. Formal ist Florian Gerster über eine Fülle von Beraterverträgen gestolpert, die (angeblich) nicht ausgeschrieben waren.
Vor einigen Wochen hörte ich im Inforadio des RBB einen kurzen Ausschnitt aus einem Vortrag des CDU-Politiker Friedrich Merz, vor wem, weiß ich nicht mehr. Sinngemäß sagte Herr Merz folgendes: der gesamte Haushalt der "Bundesagentur für Arbeit" umfaßt etwa 20 Milliarden Euro, und er fügte hinzu, "Sie glauben doch nicht, daß irgendjemand, der von den 20 Milliarden Euro profitiert, ein Interesse an Reformen hat."

Es gibt nicht nur die 90 000 Beschäftigten der "Bundesagentur", die jede Reform boykottieren können, es gibt darüber hinaus einen sehr lukrativen Markt für Beschäftigungsgesellschaften und Weiterbildungseinrichtungen. Nach den Informationen, die ich habe, ist das ein Markt hart an der Legalitätsgrenze, der nicht kontrolliert wird. Die Lobbyisten für diesen Markt werden viel Geld ausgeben, um mit Hilfe der Medien einen Mann von seinem Posten zu beseitigen, der möglicherweie die Kraft gehabt hätte, diesen Mafia-Sumpf "Bundesagentur" zu entwässern.

Florian Gerster hat sich aber durch sein Verhalten selbst ein Bein gestellt. Jeder, auch er, muß wissen, daß Berater und Gutachter, privatwirtschaftlich organisiert, "verdeckte" Lobbyisten sind. Tausende offiziell beim Bundestag registrierten Lobbyisten sind mit den Beraterfirmen eng verbandelt. Es wurde ja auch ruchbar, daß in der Hartz-Kommission Beraterfirmen saßen, die dann später Millionen von Beitrags-bzw Steuergelder bei der "Bundesagentur" abkassierten. Wer bei solcher Konstellation nicht superkorrekt ist, gerät, wenn er die Reformen durchführen will, in die "Fallen" der Lobbyisten. Hinzu kommt noch folgendes: ich kann locker in der NP schreiben, 45 000 Beschäftigte in der "Bundesagentur" reichen. Herr Gerster darf das nicht sagen. Er muß seine Leute motivieren, sie bei der Reform mitnehmen, um zu Schluß nur noch 45 000 Beschäftigte zu haben. Es mag schon sein, daß die Arroganz Herrn Gerster da eingeholt hat.

Hinzu kommen noch andere Fehler. Oder waren es gar keine? Eine der ersten Amtshandlungen von Florian Gerster waren die Verdoppelung seines Gehaltes und die Renovierung der Vorstandsetage für 1,5 Millionen Euro. Das war kein guter Einstieg in die Reformen.

Nichts gegen Berater oder auch Beraterfirmen. Selektiv und sparsam eingesetzt, mag ihre Beratung richtig und wichtig sein,. Aber angesichts der Verfilzung von Politikern, amtlich registrierten Lobbyisten und privatwirtschaftlich organisierten Beraterfirmen muß die Frage nach der Kompetenz der öffentlich Beschäftigten (Beamten und Angestellten) gestattet sein. Sie werden hochbezahlt, scheinen aber unfähig zu sein, die Aufgaben ihrer "Bundesagentur" oder ihrer Ministerien selbst erledigen zu können.

In dieser Ausgabe ist auf etwa 4 Seiten von unseren demokratischen Strukturproblemen die Rede. Nicht vergessen habe ich dabei Artur Mahraun und seine Demokratie-Ideen, die ausgleichende Gewalt des Volkes durch den überschaubaren Raum, der politischen Nachbarschaft. In der Bestell-Liste biete ich dazu Literatur an. Ich wünsche mir Ihr Interesse.

Mit freundlichen Grüßen

Dieter Kersten

abgeschlossen 20. Februar 2004
 
     
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