Dieter Kersten - Februar 2003    
Editorial    
     
 

Liebe Freunde, sehr geehrte Damen und Herren,

dieses Jahr 2003 verspricht wirklich, ein spannendes Jahr zu werden. Ob die militärisch-politischen Vorgänge um den Nahen Osten in Deutschland nur vom heißgeliebten Fernsehsessel und/oder vom Urlaubshotel aus konsumiert werden können und ob wir nicht im wahrsten Sinne des Wortes betroffen sein werden, das wird sich herausstellen. Obwohl die Zahl der Anti-Kriegs-Demonstranten erfreulicherweise zunimmt, wünsche ich mich ein stärkeres politisches Verantwortungsbewußtsein der Menschen in Deutschland.

Auf Seite 2 dokumentiere ich die Erklärung der sieben europäischen Regierungschefs im Wortlaut. In der …ffentlichkeit wird immer von acht Regierungschefs gesprochen. Das stimmt nicht. Der Achte ist der tschechische Staatspräsident Havel, der inzwischen in den Ruhestand getreten ist. Die Erklärung ist ein erschreckendes Dokument von politischer Inhaltslosigkeit und es ist bestimmt durch einen ideologisch - politischen Gehorsam gegenüber der einzigsten Weltmacht, den USA, die in der Tat in der Lage sind, uns alle zu vernichten.

Die Nachricht über den geplanten Nukleareinsatz im Irak, die ich im Rahmen hinzufüge, kommentiert in geeigneter Form "die wahren Bande" zwischen Europa und den USA. Demokratie, Freiheit, Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit haben in den USA mit den Indianermorden begonnen und führen jetzt (ja, es wird nicht das Ende des us-amerikanischen Mordens sein!) möglicherweise zu einer noch größeren nuklearen Verseuchung der Wiege der europäischen Zivilisation, Mesopothanien, dort, wo sich noch die Reste von Ur, der Stadt Abrahams, und Nebukadnezas Babylon befinden.

Seit dem letzten Golfkrieg 1991, also innerhalb von fast 12 Jahren, sind an den Folgen des Krieges im Irak 500 000 Kinder verhungert, bzw. an den Folgekrankheiten des Hungers gestorben, und, was noch viel schlimmer ist, an der von den US-Militärs verschossenen radioaktiven Uranmunition krepiert. Wir leben in einem Zeitalter der Vergleiche. Vergleichen wir, was wahrhaft nicht zu vergleichen ist?!? Die Toten von Auschwitz, Dresden, der deutschen und der sowjetischen Gefangenenlager, und was es sonst an individuellen oder auch an Massenkatastrophen gegeben hat, sie starben alle schrecklich. Was es nicht gab, das war eine von christlichen US-Militärs veranlaßte radioaktive Verseuchung, die in Hiroshima, Nagasaki und im Irak die Menschen über Generationen verfolgen wird.

Über das Vergleichen schreibt Sabine Kehir in der Wochenzeitschrift FREITAG vom 24. Januar u.a.: > Ein systematisches Studium des alten Roms bietet ein fast vollständiges Schulungsarsenal über Techniken des Volksbetrugs sowohl unter republikanischen als auch unter monarchistischen Bedingungen, über monetäre Tricks bei Inflation oder Geldknappheit, über multikulturelles Management von Vielvölkergesellschaften und vieles mehr. Das in Deutschland nicht nur das Dichten, sondern auch das historische Vergleichen nach Auschwitz unmöglich geworden zu sein scheint, ist Ausdruck einer zweckgerichteten methodischen Selbstbeschneidung, die vorgibt, daß der historische Vergleich angeblich Entschuldung bedeutet. Mitnichten. Der Vergleich von Genoziden oder ethnischen Säuberungen beinhaltet keineswegs automatisch das Freisprechen oder auch nur Verkleinern von Schuld. Es ist die unabdingbare Voraussetzung, um den komplexen Ursachen von Genoziden auf die Spur zu kommen. Und es ist Voraussetzung dafür, die Opfer von Genoziden oder Massenmorden prinzipiell als gleich anzuerkennen. <

Der us-amerikanische Kriegseintritt in die beiden Weltkriege galt genau so wenig der Freiheit, der Demokratie, der Menschenrechte und der Rechtsstaatlickeit wie die us-amerikanischen Kriege gegen den Irak. Die beiden Weltkriege sollten das wirtschaftliche Potential Deutschlands und Europas empfindlich treffen, die Kriege um den Kosovo, den Irak, um Afghanistan und in vielen anderen Erdgegenden sind Rohstoffkriege, gegen Demokratie, gegen persönliche Freiheit, gegen Menschenrechte und unter Verletzung jeglichen Rechtes.

Der moderne internationale Terrorismus und die Massenvernichtungswaffen sind, historisch von Europa ausgehend, von den USA möglich gemacht worden. Osama bin Laden und Hussein sind echte Kinder des CIA und us-amerikanischer Diplomatie, so wie Hitler von den USA aus finanziert und teilweise hofiert wurde. Ich halte die Völker zwar verantwortlich für ihre kriminellen und völkermordenden Führer, aber sie haben schlechte Karten, wenn sie nicht ausreichend gebildet und informiert sind und wenn die sozialen Bedingungen von den Beherrschern und ihren Auftraggebern auf einem katastrophal niedrigem Niveau gehalten werden.

Leser Dr. med. Heinz-Gerhard Vogelsang mailte mir am 25. Januar: > Wenn Bush so perfide ist, wie es einem Völkermörder zukommt, hat er längst Massenvernichtungswaffen im Irak versteckt und wird sie finden, wenn der Truppenaufmarsch beendet und die Völkergemeinschaft zuende belogen ist. < Vom gleichen Leser erhielt ich am 8. Januar eine eMail, in der u.a. folgendes stand: > Vor einigen Wochen löste Bush eine Propaganda-Gruppe auf, die die Welt-Medien mit Falschmeldungen versorgte. Es sei davon zuviel durchgesickert, meldete z.B. die "Rheinische Post"/Düsseldorf. Inzwischen wurde aber erneut eine solche Lügen-Brigade gebildet. Darauf muß vor Meldungen aus dem Bush-Dunstkreis öfter hingewiesen werden. <

Wie sehr die USA den UN-Sicherheitsrat versuchen zu instrumentalisieren und zu überfahren, können Sie an den Äußerungen des schwedischen Diplomaten Blix erkennen, der von dem US-Präsidenten Bush ständig falsch zitiert wird. Sie finden dazu noch einen Text im Rahmen der Seite 2, den ich aus Platzmangel in diesem Editorial nicht mehr unterbringen konnte.

In Deutschland herrschte nach diesem gemeinsamen Aufruf der acht europäischen Regierungschefs einige Aufregung. Der Aufruf folgte dem deutsch-französischen "Schulterschluß" zehn Tage zuvor, der nach meiner Erinnerung als wichtigen Inhalt lediglich die Forderung nach mehr Zeit für die UN-Inspektoren enthielt. Beide Vorgehensweisen sind der Idee eines vereinten Europas mit gemeinsamer Außenpolitik völlig abträglich. Die politische Sackgasse ist sichtbar geworden. Europäische Außenpolitik war bisher nicht mehr als Zustimmung zur amerikanischen Großmachtpolitik in Sachen Krieg um die Rohstoffe. Europa hat sich dieser Großmachtpolitik aus Denkfaulheit und wirtschaftlicher Bequemlichkeit angeschlossen. Der Ausweg besteht in einer aktiven militärischen Neutralität Europas oder eines Teils davon, die sowohl den Abbau aller militärischen Optionen als auch den wirtschaftlichen Ausgleich mit der 2. und 3. Welt sucht. Die Chancen für eine solche Friedenspolitik sind noch nie so groß gewesen wie jetzt. Schröders Ablehnung des Irakkrieges würde eine politische Zukunftsdimension erreichen, wenn wir, die Europäer, uns von der Washingtoner Kriegstreiberei absetzen. Schröder hätte für eine solche Politik zur Zeit eine breite Unterstützung der Deutschen. Trotzdem gehört Mut dazu, das politische Steuerrad herumzureißen. Hat Schröder den Mut? Ich fürchte, nein.

Mit freundlichen Grüßen

Dieter Kersten

abgeschlossen am 14. Februar 2003

 
     
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