Dieter Kersten - Januar 2003    
Editorial    
     
 

Liebe Freunde, sehr geehrte Damen und Herren,

ich begrüße die alten und neuen Leser im neuen Jahr 2003 und freue mich auf jede Zusammenarbeit, so schwierig sie manchmal auch zu sein scheint. Ich stehe manchmal sehr unter einem Arbeitsdruck und ich bin auch Stimmungen unterworfen, die aus einer aktuellen politischen Situation kommen können. Ich bitte im Nachsicht, wenn ich unzureichend reagiere.

Ich werde immer wieder ermahnt, mit den guten Nachrichten zu beginnen und die schlechten in Waage mit den guten zu bringen. Ein schwieriges Unterfangen - Anfang 2003 insbesondere. Zur Zeit verfüge ich über eine Fülle von Material, über gute und auch schlechte Nachrichten. Nur - alle diese Beiträge haben auch widersprüchliche Seiten, mit denen ich mich auseinandersetzen sollte. So lobt z.B. Chomsky, den ich auf Seite 2 zitiere, das deutsch-europäische Parteiensystem, welches er mit dem desolaten politischen System in den USA vergleicht. Eigentlich könnte ich mich mit stolz geschwellter Brust zurücklehnen und den Sieg der deutsch-europäischen Kultur über die us-amerikanische Unkultur feiern. Aber das fällt mir schwer. Warum? Weil ich doch weiß, daß, und nun will ich wieder nur von Deutschland schreiben, die Parteien lediglich die eine Seite der Medaille politischer Kultur in Deutschland sind. Wir merken es zur Zeit besonders stark: wir sind ein erweiterter Ständestaat, in dem Organisationen wie Gewerkschaften, Unternehmerverbände, Industrie-und Handelskammern, Handwerkskammern, der Beamtenbund, die Krankenkassen, die diversen Ärzteorganisationen und der diffuse "öffentliche Dienst" und viele andere Organisationen mehr zu sagen haben, als das verzweifelt Parteien wählende Volk. Jede Gruppe hat ihre Spezialinteressen und wenig Neigung, diese mit den Interessen der anderen abzugleichen. In fast allen diesen Organisationen haben angestellte Manager das Sagen; alle diese Organisationen sind noch weiter als die Parteien davon entfernt, "demokratisch" genannt zu werden. Das Stimmengewirr erstickt jede demokratische Kultur in Deutschland. Eine an den Sachfragen orientierte Diskussion findet selten statt. Deshalb bin ich so sehr für den Volksentscheid ohne jede Einschränkung. Die rechtliche Etablierung eines Volksentscheides würde die Parteien und die selbst ernannten Manager-Fachleute disziplinieren. Es mag sein, daß der eine oder andere Volksentscheid schief geht. Nur - jetzt geht alles, was in diesem Ständestaat beschlossen wird, "in die Hose" - die Entscheidungen des Volkes aber, ob gut oder schlecht, müssen vom Souverän, dem Volk, unmittelbar und selbst verantwortet werden, während sich die gescheiterten politischen und wirtschaftlichen Funktionäre sofort und unmittelbar aus der Verantwortung stehlen. Und das auch noch mit hohen Pensionen bzw. Abfindungen auf Kosten des Volkes! Und noch eins: die Fachleute, soweit es unter den Funktionären und den "öffentlich Beschäftigten" noch welche gäbe, hätten die Möglichkeit, mit überzeugenden Argumenten Volksentscheide zu echten Lebensentscheidungen zu machen.

Ich hatte kurz vor Weihnachten ein interessantes Gespräch mit einem Bekannten, mit dem ich in den vergangenen Jahren nicht immer übereinstimmte. Wir treffen uns meistens zweimal im Jahr und fast immer um die gleiche Zeit: im Juli und im Dezember. Es ging, wie auch sonst fast immer, um die wirtschaftliche und soziale Lage in Deutschland. Auch meine Forderung nach direkter Demokratie wurde immer wieder diskutiert. Mein Gesprächspartner ist ein erfolgreicher Mittelständler, welcher durch Erfindungen und Entwicklungen aus eigener Kraft in Berlin, über Ungarn bis Shanghai, Produktionsstätten betreibt. Es war das erste Mal, daß wir in den meisten Punkten Übereinstimmung erlangten, auch in dem für erfolgreiche Menschen immer heiklen Punkt der Demokratie. Dieser Mann, mit dem ich sprach, ist ein gebildeter Mensch, der, angesichts der bildungspolitischen Misere in Deutschland und angesichts der fehlenden kulturellen Erziehung zur Selbstverantwortung bezweifelt, ob direkte Demokratie als Gegengewicht zur Parteien-Demokratie überhaupt funktioniert. Wir konnten uns in etwa auf die Formel einigen, daß Bildung und Selbstverantwortung für die eigenen Entscheidungen einerseits Voraussetzung für mehr Demokratie sind, wie die Möglichkeit, selbst zu entscheiden, die Voraussetzung ist, zu Bildung und Selbstverantwortung zu kommen. Wenn heute nach der Statistik der bundesdeutsche Bürger von 0 - 120 Jahren täglich viereinhalb Stunden vor der Glotze sitzt, um nur ein Beispiel zu nennen, dann hätte er auch Zeit, sich um die Bildung seiner Kinder und der eigenen Person zu kümmern. Er hätte Zeit genug, durch sein eigenes Verhalten die Medien anzuhalten, die in jeder politischen Frage steckenden zahlreichen Alternativen sachgerecht aufzubereiten.

Ein Thema war auch die globalisierte Wirtschaft. Zu meinem Erstaunen trat mein Gesprächspartner für eine nationale Wirtschaftspolitik ein. Er berichtete, daß z.B. Ungarn und die Volksrepublik China ausländischen Unternehmen für 10 Jahre Steuerfreiheit zuerkennen. Die Steuerfreiheit gilt ab dem Jahr, in dem ein Gewinn entnommen wird. Er berichtete, daß dadurch insbesondere in der Volksrepublik China eine hochmoderne Industrie entsteht. Wir waren uns einig, daß Deutschland durch eine völlig verfehlte Industriepolitik zur Zeit entindustrialisiert wird.

Wir brauchen eine nationale, deutsche Industrieansiedlungspolitik. Darüber hinaus einigten wir uns darauf, daß Deutschland eine umlaufgesicherte Währung als Zweitwährung haben muß, freikonvertierbar, versteht sich, um den Tausch von Waren und Dienstleistungen in einem überschaubaren Wirtschaftsraum zu intensivieren. Geld darf nicht gehortet werden.

Wir stellten fest, daß die ganze Diskussion über die "Krankheitskosten" davon bestimmt ist, den Bürger weitgehend zu gängeln und in einem unmündigen Zustand zu halten. Statt den Gesundheitsmarkt für die neue Medizin der Homöopathen, der Heilpraktiker und Geistheiler zu öffnen, fördert die Politik die unheilige Allianz zwischen Pharma-Industrie und einer klassischen Medizin, die, wenn sie ehrlich wäre, zugeben müßte, daß sie nicht in der Lage ist, viele Krankheiten wirklich zu heilen. Die …ffnung des Marktes würde, so waren wir uns einig, enorme Krankheitskosten sparen und, was fast noch wichtiger ist, dem Menschen die Freiheit geben, sich selbst entscheiden zu dürfen. Natürlich setzt diese Möglichkeit der Selbstentscheidung Kenntnisse für die Selbstverantwortung voraus. In der vorliegenden Ausgabe gibt es einige Beiträge, die sich direkt bzw. indirekt mit dem Thema Irak befassen. Die Bundesregierung nähert sich mit einer Mischung von Krebsgang und Echternacher Springprozession der Kriegsteilnahme. Meine ständige Mahnung, die us-amerikanischen Stützpunkte in Deutschland zu kündigen, die Bundeswehr aufzulösen und auf jede Waffenproduktion zu verzichten, wird in der …ffentlichkeit nicht diskutiert. Zum Schluß möchte ich noch auf die Bücherliste verweisen, in der zwar nicht viel Neues steht, außer, daß einige wenige Preise gesenkt worden sind.

Mit freundlichen Grüßen

Dieter Kersten

abgeschlossen 15. Januar 2003

 
     
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