Dieter Kersten - März / April 2002    
Editorial    
     
 

Liebe Freunde, sehr geehrte Damen und Herren,

in der Wochenzeitschrift FREITAG vom 16. November 2001 wurde auf der ersten Seite ein Fotorahmen wiedergegeben, welcher laut BILD auf dem amtlichen Kanzlerschreibtisch in Berlin steht. In diesem Rahmen befindet sich ein Farbfoto seiner Frau und links eingesteckt ein Schwarz/ Weiß-Foto seines im 2. Weltkrieg gefallenen Vaters. Sein Vater ist als Soldat mit ernstem Blick, Kragenspiegeln, Stahlhelm, Reichsadler und Hakenkreuz abgebildet. ("Mit würdigem" Blick, so die damalige Sprachregelung.) Den Vater des gegenwärtigen Kriegskanzlers können wir nicht mehr befragen, wie er zu diesem Bild heute stehen würde, für die Beurteilung des Sohnes sollten wir, angesichts der uneingeschränkten Solidarität dieses Kanzlers mit der sich im 3. Weltkrieg befindenen USA, einige Betrachtungen anstellen.

Ist dieser Stahlhelm-tragene Mann, der auch einmal Schröder hieß, der sich auf den Führer Adolf Hitler vereidigen ließ und der für seinen Führer sich hat töten lassen, als Vorbild in diesem 3. Weltkrieg geeignet? Natürlich, auf jeden Fall ! Der Soldat Schröder senior hat nie sein Vaterland, hat nie Frau und Kinder, hat nie die Heimat verteidigt, hat auch nicht in Notwehr gehandelt, sondern er ist für fremde Interessen mißbraucht worden. Er hat sich mißbrauchen lassen, weil eine im 19./20. Jahrhundert ins Nationalistische gekippte Aufklärung des 18. Jahrhundert zu nationalegoistischen Denkblockaden geführt hat. Das System Herr und Knecht in seiner männlichen und weiblichen Form war Grundlage der Fehlerziehung ganzer Generationen und es hat furchtbar viel Blut gekostet an allen Fronten im 19. und 20. Jahrhundert, in allen beteiligten Ländern bzw. Nationen, von den heroisierten Schlachten des preußischen Königs Friedrich II., über die verklärten Freiheitskriege bis Auschwitz und Hiroshima. Die Toleranzvorstellungen und die Freiheitsideen von Lessing, Schiller, Mendelssohn, Klopstock, Leibniz und Kant; sie blieben und bleiben bis heute den Sonntagsreden vorbehalten.

Schröder hat es sicher sehr gerne gesehen, daß das Bild seines soldatischen Vaters in BILD veröffentlicht wurde. FREITAG untertitelt das Bild mit zwei Sätzen des BILD-Mitarbeiters Franz Josef Wagner > Nun sehe ich auf Ihrem Schreibtisch das Foto Ihres Vaters und ich denke: So, wie er dasitzt, der Kanzler, der Sohn eines gefallenen Soldaten, weiß er, was er tut. < Kein Fragezeichen, verehrte Leserin, verehrter Leser, sondern genau das, wozu der Bundeskanzler mit dieser "privaten" Demonstration die …ffentlichkeit verführen will, nämlich den Willen zu erzeugen, mit bedingungsloser Solidarität in den 3. Weltkrieg zu marschieren.

In einem ganz anderen Zusammenhang interviewte Günter Gaus in FREITAG vom 15. Februar > den Schriftsteller und Filmregisseur Egon Günter über ein Ende der DDR, das vor ihrem Anfang lag - über ein Leben zwischen Welten und Stühlen, über nicht gelesene Stasi-Akten <. Ich zitiere: Ja, .. und weil - wie Bloch (Anmerk. D.K.: Ernst Bloch = deutscher Philosoph) sagte - der Zweck die Mittel niemals heiligt. Es muß auf jeder Etappe das Ziel vorhanden sein. Und wenn man sagt, wir machen das erst einmal mit Gewalt und am Ende wird sich die Glückseligkeit schon ergeben, da gerät Gewalt an einen Punkt, von dem es kein Zurück mehr gibt.

Ich sollte hier anhalten und das Geschriebene noch einmal überdenken. Die Frage, ob sich "dieser stahlhelm-tragene Mann ... als Vorbild in diesem 3. Weltkrieg" eignet, hatte ich mit einem deutlichen "Ja" beantwortet, aber ich habe des "Ja" nicht begründet. Die Fragen, die sich aus diesem "Ja" ergeben, sind die nach den fremden Interessen und die Frage nach der Aufklärung, ihrer gesellschaftlichen Ordnung einschließlich das, was wir gemeinhin als Moral bezeichnen. Ich werde das nicht alles klären können - auf dieser ersten Seite der 3. Ausgabe der NEUEN POLITIK im Jahre 2002. Ich bitte um Ihre Mithilfe, damit wir gemeinsam Klarheit schaffen.

Die Interessen, für die Herr Schröder senior, hier in diesem Text stellvertretend für Millionen von Menschen, sterben mußte, waren genau die gleichen, für die die Frauen und Kinder in Afghanistan, die "alliierten" Kampfsoldaten und die "Terroristen" heute sterben. Die historische und deutsche Formulierung "Volk ohne Raum" beinhaltet nichts anderes als die aktuelle Rohstoffgier der zur Zeit real lebenden Bushs und Schröders. Das Unvermögen unserer Zivilisation, sich vorzustellen, daß alle Menschen auf dieser Erde die Chance auf das gleiche Recht auf ein Leben unter gleichen Bedingen haben, dies hat wieder etwas mit der unvollendeten "europäischen" Aufklärung des 18. Jahrhunderts zu tun. Ende Februar wurde ruchbar, daß Soldaten der deutschen KSK-Truppe (Kommando Spezialkräfte) in Afghanistan im Kampfeinsatz sind. Diese Soldaten schützen ebenfalls weder Frau und Kind, sie verteidigen nicht die Heimat, sie handeln nicht in Notwehr, sondern sie kämpfen für die …linteressen der Familien Bush und Cheney, die ihrerseits wieder ihre Interessen zu einem nationalen Interesse der USA gemacht haben. Die Soldaten der deutschen KSK-Truppe sind (von deutschen Steuerzahler bezahlte) Söldner einer fremden Macht. Für des Wort Söldner könnte ich auch das Wort Killer benutzen.

Jochen Scholz weist in seinem Beitrag in FREITAG vom 1. März 2002 unter der Überschrift Verdeckte Aktion der ruhigen Hand darauf hin, daß die Bundesregierung eine Woche vor der Abstimmung im Bundestag am 6. November 2001 über den Einsatz der Bundeswehr an Enduring Freedom die Entsendung von Kampftruppen ausgeschlossen hat. Die Bundesregierung hat, und das gilt es festzustellen, die Abgeordneten des Deutsche Bundestages belogen und betrogen. Jochen Scholz schreibt in dem Beitrag u.a. folgendes: Die Soldaten des KSK versuchen laut Presseberichten zwar, Übergriffe ihrer amerikanischen Verbündeten vor Ort zu verhindern, aber sie machen Gefangene und übergeben sie einer Macht, die sie anschließend einer Behandlung unterzieht, die rechtsstaatlichen Grundsätzen Hohn spricht, sie mit der archaischen Todesstrafe bedroht und die Existenz der afghanischen Übergangsregierung ignoriert. Damit sind deutsche Soldaten Teil einer auch Menschen verachtenden Maschinerie und verletzen zudem Artikel 2 ihrer eigenen Verfassung, nämlich des Grundgesetzes.

Enduring heißt bleibend; andauernd; aushalten; ertragen; aushaltend; ertragend ; Freedom heißt bekanntlich Freiheit. Wer Kriegsziele verschleiern will, erfindet immer schöne Begriffe.

Wenn ich ganz knapp ein Urteil über die Lage der Erde abgebe, dann muß ich leider schreiben, sie ist äußert schlecht. Deshalb müssen wir weiter über unsere eigene gesellschaftliche und wirtschaftliche Ordnung und über unser Verhältnis zu allen Staaten und Kulturen dieser Erde nachdenken.

Die nächste Ausgabe des Kommentar-und Informationsbrief NEUE POLITIK erscheint im Mai.

Mit freundlichen Grüßen

Dieter Kersten

abgeschlossen 15. März 2002

 
     
  Diesen Artikel als PDF-Datei herunterladen Download  
     
  Alle Artikel liegen als PDF - Datei zum herunterladen vor. Um PDF - Dateien zu lesen, benötigen Sie den "Acrobat Reader". Falls das Programm nicht auf Ihrem PC installiert ist, können Sie es sich hier kostenfrei herunterladen. Hompage_Acrobat