Dieter Kersten - November / Dezember 1999    
Editorial    
     
 

Liebe Mitstreiterinnen, liebe Mitstreiter, sehr geehrte Damen und Herren,

die Unruhe auf der Erde hat zum Ende dieses Jahrhunderts und des 2. Jahrtausends erheblich zugenommen. Wir sind vom ewigen Frieden, sollte es ihn überhaupt irgendwann einmal geben, weiter entfernt als es noch vor Jahren schien. Die Zahl der Kriege, der Toten, der Verwundeten und Geschändeten, der Flüchtlinge, hat in den letzten zehn Jahren erschreckend zugenommen. Die Parteien, und damit meine ich nicht nur die Organisationsform, die wir in Deutschland so nennen, haben keine Konzepte, das Zusammenleben der Menschen nachhaltig zu regeln, innen - und außenpolitisch. Wenn es irgendwelche Konzepte gibt, dann sind es solche, die der (Selbst-) Bereicherung dienen. Alle gegen einen, und einer gegen alle. Ich habe immer mehr das Gefühl, daß sich die Menschheit in einer Art tiefstem, dunkelstem oder auch schrecklichstem Mittelalter befindet.

Und wir Deutschen ..... einerseits gab es wohl nirgendwo als in Deutschland ein so hohes Spendenaufkommen für die Kosovo-Albaner während des NATO-Krieges und für die türkischen Erdbebenopfer kurz nach dem Naturereignis, auf sehr viele Menschen verteilt, aber .... andererseits ist auffallend, daß bei beiden Ereignissen der Einsatz des Fernsehens besonders groß war. Andere menschliche Katastrophen werden öffentlich übergangen und die Spenden tröpfeln noch nicht einmal. So wird die Austreibung der Roma aus dem Kosovo ziemlich gefühllos hingenommen, weil in der eingeübten öffentlichen Erziehung der Deutschen Roma immer noch als »artfremd« gelten und somit nicht schutzwürdig sind.

Und wir Deutschen ..... und unsere Medien, unsere Politiker, unsere Manager - sind nicht in der Lage, Zukunftsvisionen zu entwickeln. Die RWE - Zeitschrift namens agenda und mit dem Untertitel Verantwortung "Leistung" Zukunft interviewt in ihrer Ausgabe Nr. 2/1999 elf Manager deutscher Großbetriebe, Gewerkschaftler, den deutschen »Oberkatholiken« Lehmann und den Historiker Baring. Auf dem Titelblatt steht mit großen Lettern die Frage KONSENS ODER KONFLIKT?, und was bei der Beantwortung herauskommt, das ist Drückebergerei. Sprechblasen. Keiner übernimmt die Verantwortung für einen politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Neuordnungsvorschlag, der über diese einfache Fragestellung hinausgeht. Was im gleichen Heft dann noch unter der Überschrift Visionen - Blaupausen für die Zukunft (Titel eines Interviews mit dem Deutschlandchef von McKinsey, Jürgen Kluge) herauskommt, ist z.B. folgender Satz: ....Ähnlich bei McDonaldÕs: Zu deren Vision gehört zum Beispiel, daß kein Kunde länger als wenige Minuten auf sein Essen warten muß ...

Und wir Deutschen - was sagen wir, wenn wir in der Wochenzeitschrift FREITAG am 1. Oktober einen Beitrag von Detlef Bimboes unter der Überschrift Schlacht um das Kaspi-Öl und unter der Unterüberschrift Wuchernde Konflikte -Wegen seines Reichtums an Rohstoffen wird Mittelasien zwischen globalen und regionalen Mächten neu aufgeteilt - Tschetschenien nimmt dabei eine Schlüsselstellung ein u.a. folgendes lesen: Als sich Ende 1991 die Sowjetunion auflöste, entstanden in der kaspischen Region acht selbständige Staaten: Kasachstan, Armenien, Aserbeidschan, Turkmenistan, Usbekistan, Georgien, Kirgysstan, Tadschikistan - allesamt autoritär geführt, mit Minderheitsproblemen und einem krassen Sozialgefälle belastet. Für die OECD-Länder - allen voran die USA - bot sich mit den neuen Nationalstaaten eine willkommene Gelegenheit, mittelfristig die Abhängigkeit von den nicht unerschöpflichen …lquellen am Persischen Golf zu verringern. Derartige Ambitionen wurden durch den Umstand begünstigt, daß die Völker am Kaspischen Meer selbst Anschluß an den > Westen < suchten, was sich mit Bestrebungen vorzugsweise der USA traf, einen strategisch - geographischen Keil zwischen Rußland sowie die neuen ölreichen Länder zu treiben und den Einfluß der NATO bis an die Grenze Chinas und zum Himalaja auszudehnen. Es wird kein Konsens gesucht, sondern es wird ein Keil getrieben, keine Verhandlungen geführt, sondern Kriege inszeniert.

Und wir Deutschen ..... bauen dafür Panzer. Dieser neue Leopard II - Panzer ist ja fast der Stolz der Nation; in den Fernsehnachrichten wird er als ein wendiger, schneller Panzer gezeigt, der eine hohe Feuerkraft in jeder Schußposition besitzt. 6000 Arbeitsplätze in Deutschland sollen geschaffen werden, wenn die Türkei tausend Stück davon in Lizenz fertigen dürfte. Dieser Panzer eignet sich gut für das unwegsame Türkisch - Kurdistan, trotz seiner 80 Tonnen Kampfgewicht. Dieser todbringende deutsche Qualitätspanzer hat auch weitaus mehr Chancen, sehr weit, bis an Chinas Grenzen und den Himalaja vorzustoßen, weiter, als Hitler jemals träumte. Krieg schafft Arbeitsplätze, das ist eine alte Geschichte. Hat sich jemand schon ausgerechnet, wieviel Tote pro Arbeitsplatz notwendig sind, um vielleicht die 6000 Arbeitsplätze auf 12000 zu erhöhen? Führt nicht die Gesinnung, die hinter ein Keil treiben und ähnlichen Äußerungen steckt, fast automatisch zu Kriegen?

Und die Deutschen ..... haben es nicht fertig gebracht, den Erfindern, Tüftlern, Bastlern, Ideenträgern zu helfen, z. B. ihre meist ökologischen Energie -Ideen in die Produktionswirklichkeit umzusetzen, um vielleicht mittelfristig diesen 6000 bis 12000 Menschen Arbeit zu geben. Energiekriege wie die in Tschetschenien und Militäraktionen in Nigeria (Vertreibung von Menschen) sind dann nicht mehr nötig!

Und wir Deutschen ..... haben nicht begriffen, daß nur neue ökonomische Ideen, wie die Freiwirtschaftlehre von Silvio Gesell, die Ordnungs- Vorschläge Rudolf Steiners und die Demokratie-Vorschläge Artur Mahrauns uns die Schritte machen lassen werden, die weg vom zügellosen Wachstum und hin zu einer ökologischen Vollbeschäftigung führen.

Und wir Deutschen ..... haben nicht begriffen, daß eine strikte, waffenfreie Neutralität eine unbedingte Voraussetzung auch für unser (Weiter-) Leben ist. Noch befinden sich Atomwaffen auf deutschem Boden, noch werden wir als »Flugzeugträger« für militärische Konflikte benutzt.

Und wir Deutschen ..... wissen nicht, wieviel Bedeutung z.B. ein von Staats - und Wirtschaftszwängen freies Schulwesen hat. Wir wehren uns nicht konsequent gegen ein »Krankheitswesen«, welches zur Zeit nur von profitgierigen mafia-artig organisierten Interessenverbänden abhängig ist.

Ich danke allen Mitstreiterinnen und Mitstreitern für ihre Mitarbeit und ihre Treue. Wir müssen im nächsten Jahr versuchen, mehr politischen Boden unter die Füße zu bekommen. Ich wünsche Ihnen ein FROHES WEIHNACHTSFEST und ein gesundes, glückliches Jahr 2000. Die nächste Ausgabe erscheint im Januar 2000.

Mir freundlichen Grüßen

Dieter Kersten

abgeschlossen am 12. November 1999

 
     
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