Dieter Kersten - Oktober 1999    
Editorial    
     
 

Liebe Mitstreiterinnen, liebe Mitstreiter, sehr geehrte Damen und Herren,

wir werden in Atem gehalten: kaum scheint der Kosovo aus dem Gröbsten zu sein, da kam den Medien das Erdbeben in der Türkei gerade recht und kaum war das herzzerreißend-schaurige Schauspiel dort vorbei, schickte der liebe Gott die Erdbeben in Griechenland und auf Formosa/Taiwan. Nebenbei flimmern die Gewaltszenen aus Osttimor über die Bildschirme, jetzt nun das martialische Aufgebot der UN. Ach, natürlich, der Wirbelsturm in Gottes eigenem Land, den Vereinigten Staaten einschließlich einer neuerlichen Schießerei in einer Kirche, und was es sonst an täglichen Sensatiönchen alles gibt, Brot und Spiele für die Teile des Volkes, die dem Fußballspektakel nicht frönen und die sich für politisch informiert halten. Sehr vieles, was unter den dicken Balkenüberschriften in den Gazetten steht und vieles, was im Fernsehen und Rundfunk dem Volk geboten wird, ist ein Ablenkungsmanöver von Verantwortlichkeiten, die festzustellen sind.

Beispiel Osttimor. Soweit und so fremd uns auch dieses Land ist, so ist die politische Geschichte Osttimors beispielhaft für eine selektive Menschenrechtspolitik der US-Amerikaner. Ursprünglich eine portugiesische Kolonie und dann sogar eine Überseeprovinz, wurde sie während der Rote-Nelken-Revolution in Portugal 1975 in die Unabhängigkeit entlassen- was freilich nur ein sehr kurzes Zwischenspiel war, weil die indonesischen Truppen nach Abzug der portugiesischen sofort einmarschierten. Es gab einen Bürgerkrieg mit sehr vielen Opfern, aber es gab auch Massaker der indonesischen Armee, die zwar mit dem Bürgerkrieg begründet wurden, die aber, gegen Frauen und Kinder gerichtet, willkürlich waren. Bei einer Einwohnerzahl von ca. 700 000 Menschen wurden bis zu den aktuellen Auseinandersetzungen ca. 150 000 bis 200 000 Menschen umgebracht.

Für dieses Vorgehen der indonesischen Armee und der indonesischen Milizen gibt es natürlich auch sogenannte "objektive" Gründe, die auch für die Deportationen der letzten Monate herhalten müssen: die Ansiedlung von regimetreuen Menschen in Osttimor und die in ganz Indonesien betriebene gewaltsame "Durchmischung" der Völker, um Unabhängigkeitsbestrebungen zu verhindern. Dabei sind solche "Durchmischungen" u.a. auch Christenverfolgungen, die von dem islamisch bestimmten Offizierskorps bzw. der wirtschaftlichen und politischen Oligarchie betrieben werden.

Die militärische, wirtschaftliche und politische Oligarchie verdankt ihre Macht u.a. den US-Amerikanern, die 1965 den Putsch von Suharto gefördert haben. Suharto, das sei am Rande vermerkt, hat im vorigen Jahr während der Asien - Spekulations - und Wirtschaftskrise die äußerliche Macht an Habibie abgeben müssen; der Suharto-Clan ist nachwievor, zusammen mit dem Militär, die beherrschende Kraft der indonesischen Politik. Der Putsch von 1965 führte zu einem Machtergreifungsmassaker, dem 250 000 vermeintliche Kommunisten zum Opfer fielen. Eine unbekannte Zahl wurde in die Gefängnisse gesteckt, in denen sich heute noch, 34 Jahre später, Verfolgungsopfer befinden sollen. Die Mordorgie war nur möglich, weil die US-Amerikaner aktiv mithalfen. Der US-Diplomat Robert Martens hat zwei Jahre lang mit einer Arbeitsgruppe von Geheimdienstlern und Diplomaten Namenslisten indonesischer Kommunisten zusammengestellt, die der indonesischen Armee übergeben wurden. In den USA wurde damals Suharto gefeiert, denn es ging ja gegen den Kommunismus; der Kalte Krieg war voll im Gange. Ein Tag vor dem Einmarsch der indonesischen Armee in Osttimor, 1975, waren der damalige us-amerikanische Präsident Ford mit seinem Außenminister Henry Kissinger bei Suharto. Das Duo - die US-Amerikaner - hatte nichts gegen die Invasion. Man wußte im voraus Bescheid. Die Waffen kamen damals fast ausschließlich aus den USA. Ford schickte noch Bomber für den Kampf gegen die osttimoresische Guerilla. Mit verantwortlich war übrigens auch der famose Richard Holbrooke, der sattsam bekannte "Vermittler" im Vorfeld des Jugoslawien-Krieges 1999 und Verehrer von Milosevic. Dieser Mann, damals Staatssekretär für fernöstliche und pazifische Angelegenheiten, hatte sich gegenüber australischen Journalisten fast lustig gemacht - 10 000 oder 50 000 Tote - "aber ich will betonen, daß ich überhaupt kein Interesse daran habe, mich über die wirkliche Opferzahl zu streiten". Holbrooke ist für seine treuen und kriminellen Dienste belohnt worden und zur Zeit US-Botschafter bei der UN. Wir werden seinen Weg weiter verfolgen.

Waffenhandel und Kriege: ist es Zufall oder gesteuert, daß in diesen Wochen der Sohn von Franz (Josef) Strauß, Max Strauß, in einem Atemzug mit dem Waffenhändler Karlheinz Schreiber genannt wird? Die Familie Strauß ist ja äußerst prädestiniert für dieses Thema. Um den 19. April 1960 herum wurden in Pöcking bei München der Arzt und vermutliche Waffenhändler Dr. Otto Praun und seine Haushälterin Elfriede Kloo ermordet. Als Mörder wurden Johann Ferbach und Vera Brühne verurteilt; Ferbach starb 1970 im Gefängnis. Vera Brühne wurde ca. 2 Jahre später in einem Wiederaufnahmeverfahren freigesprochen. Nie richtig aufgeklärt wurde der Besuch des Strauß-Adjutanten Repening (Franz > Josef < Strauß war damals Bundesverteidigungsminister) bei Dr. Praun ungefähr zur Tatzeit. Repening starb später - ich weiß nicht mehr wann - unter ungeklärten Umständen. Das alles spielt sich in einem Bundesland ab, dessen jetziger Ministerpräsident Stoiber sich immer wieder rühmt, durch sein bzw. seiner Partei (CSU) politisches (wirtschaftspolitisches) Geschick eine wirtschaftlich potente Industrie angesiedelt zu haben. Guckt man genau hin, dann muß man feststellen, daß ein großer Teil dieser Industrie mit Rüstung zu tun hat, einschließlich das, was unter "Weltraum" geführt wird. Das gilt auch für einen großen Teil der Forschungseinrichtungen um Garching herum. Kriminelle unter sich, kann ich da nur schreiben.

Natürlich sind die mafia - ähnlichen Zustände in Deutschland kein Grund, die zur Zeit völlig an die Wand gefahrene Innenpolitik der Rot - Grünen Koalition unter Schröder zu entschuldigen. Ich habe den Eindruck, daß die SPD (da sind die Anzeichen am Eindeutigsten) die Regierung übernommen hat, ohne ein praktisches Konzept zu haben, wie die Verhältnisse in Deutschland zu ändern sind. Die Oppositionsbänke waren zu weich, die Diäten zu hoch, als daß sich der einzelne Oppositionsabgeordnete um die Fakten hätte kümmern "können". Es ist nämlich ein großer Unterschied, ob man als Opposition mit Sprüchen die Regierung ärgert oder ob man dann, wenn man "dran" ist, auch wirklich eine Alternative hat. Denn wirkliche Alternativen, das muß ich im Kommentar-und Informationsbrief immer wieder feststellen, haben die Parteien nicht. SPD und Grüne sind noch nicht einmal zu systemkonformen Korrekturen in der Lage.

Mit freundlichen Grüßen

Dieter Kersten

abgeschlossen am 4. Oktober 1999

 
     
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