Dieter Kersten - Januar 1999    
Editorial    
     
 

Liebe Mitstreiterinnen, liebe Mitstreiter, sehr geehrte Damen und Herren,

den Text auf Seite 2ff Kein Kopftuch in den Unis habe ich im wesentlichen vom Oktober bis Dezember 1998 geschrieben. Ich hatte vor, ihn erst im Februar 1999 zu bringen. Die Ankündigung von Herrn Schäuble, CDU - Bundesvorsitzender und Fraktionsvorsitzender seiner Partei im Deutschen Bundestag, auf der Pressekonferenz vom 4. Januar 1999, eine Unterschriftenaktion gegen die doppelte Staatsangehörigkeit zu starten, veranlaßt mich, meine Betrachtungen in dieser Ausgabe zu veröffentlichen. Unabhängig vom Thema ist es beachtenswert, daß die CDU das erste Mal in ihrer Geschichte den Ausschließlichkeitsanspruch für politische Gestaltung durch die repräsentative Demokratie aufgibt. Gibt das Anlaß zur Hoffnung, daß die CDU einen Schritt zur Demokratie hin tut und einem Gesetz über Volksinitiative und Volksentscheid auf Bundesebene zustimmen wird? Ich glaube, daß ist zu schön, um wahr zu sein! Ich fürchte, daß der "Schuß" für alle Basis - Demokraten nach "hinten" losgeht, und zwar deshalb, weil die Einseitigkeit der Fragestellung dem zarten Pflänzchen direkte Demokratie so viel Dünger verabreicht, daß es an Nährstoffüberangebot eingeht. Herr Schäuble wird auch nicht an Demokratie gedacht haben, sondern an den Medienrummel, durch den seine Partei wieder in den Mittelpunkt politischer Aktion gerückt werden soll. Am allerwenigsten geht es um die Menschen in diesem Land. Herr Schäuble und seine Familie werden im heimischen Gengenbach keinen Kontakt zu dem normalen Mitbürger ausländischer Herkunft haben, obwohl die dortige Holz - und Papierindustrie diese Mitbürger mit Sicherheit beschäftigt. Schäubles Sicht der Dinge ist von den CDU/CSU - Stammtischen bestimmt, deren Blutundboden - Traditionen aus den Abgründen der Geschichte kommen und wo in den 50iger Jahren diese beiden Parteien jeden Nazi-Parteigenossen und jeden SA- und SS - Mann mit offenen Armen aufnahm. Gottseidank regt sich Widerstand in den eigenen Reihen. Wir können nur hoffen, daß der Widerstand groß genug ist; vielleicht ist diese Aktion schon abgeblasen, wenn der Kommentar- und Informationsbrief verschickt wird.

Sie finden in der vorliegenden Ausgabe einen Nachtrag zu dem Beitrag unseres Freundes Dr. Gerhard Schmidt in der Ausgabe November Dezember 1998 mit gleicher Überschrift. Dieser Ausflug in die jüngste europäisch - deutsche Geschichte, über den vielleicht manche jüngere Leser den Kopf schütteln, gibt mir Veranlassung, noch einmal auf das Buch von Prof. Dr. Renate Riemeck Mitteleuropa - Bilanz eines Jahrhunderts hinzuweisen. Ich hatte das Buch in der November/Dezember - Ausgabe besprochen und schicke den neuen Lesern auf Anforderung gerne die Buchbesprechung zu. In diesem Buch beschäftigt sich Renate Riemeck mit den politischen Fehlentwicklungen des 19. und 20. Jahrhunderts. Das politische Versagen der Deutschen ist bis in die heutige Zeit spürbar. Das gilt auch für die Deutschen zur Zeit Adenauers und Ulbricht. Dennoch denke ich, daß wir, die Mitteleuropäer, mit der Einführung des Euro eine erneute Chance zu einer mitteleuropäischen Selbstbestimmung erhalten, die wir um des Weltfriedens willen nutzen müssen. Meine Befürchtungen, daß im Vorfeld der Einführung des Euro die internationalen Spekulanten wie Soros in Europa Kasse machen werden, ist nicht eingetroffen. Die Kursgewinne des Euro nach dem 1. Januar 1999 sind vergleichsweise harmlos, obwohl, bleibt es dabei, sich der Export in die Dollarländer verteuert, d.h. also, möglicherweise Arbeitsplätze kosten wird. Der Euro hat aber einen ganz anderen Effekt: er zwingt die Euro-Länder zu einer gemeinsamen Wirtschaftspolitik und damit auch zu einer gemeinsamen Außenpolitik. Die Aufgabe der deutschen Bundesregierung ist es, in den sechs Monaten deutscher Ratspräsidentschaft, die gerade begonnen haben, die gemeinsame Wirtschafts- und Außenpolitik zu formulieren und in aller …ffentlichkeit zur Diskussion zu stellen. Ein wichtiger Punkt dabei ist die politische Emanzipation von der us-amerikanischen Politik. Diese Emanzipation ist kein Selbstzweck, sondern sie dient dazu, die politische und militärische Vorherrschaft der Vereinigten Staaten einzuschränken. Wesentlicher Teil dieser wirtschaftlichen und politischen Emanzipation muß eine deutliche Herabstufung des Militärischen sein. Wenn wir den Frieden erhalten wollen, dann müssen wir einen deutlichen Schritt zur Abrüstung und zur militärischen Neutralität machen. Nur so können Osteuropa, Afrika und weite Teile Asiens wirtschaftlich saniert werden. Es ist eine wesentliche mitteleuropäische Aufgabe, Mittler zwischen Osteuropa und der angelsächsisch bestimmten Welt zu sein.

Ich möchte in diesem Zusammenhang auf ein Buch hinweisen, welches ich selber noch nicht gelesen habe, was ich Ihnen aber dennoch in der beiliegenden Buchliste anbiete - Die Grünen und die Außenpolitik - ein schwieriges Verhältnis von Ludger Volmer. Der Klappentext (leider ziemlich nichts - sagend und einfallslos): Die Grünen und die Außenpolitik - da glaubt jeder Bescheid zu wissen: >> Austritt aus der NATO << und >> Abschaffung der Bundeswehr << heißt es, ein Pazifismus, der sich weigert, auch mit Waffen die Menschenrechte zu verteidigen; dazu eine antiwestliche Grundhaltung, viele altlinke Einstellungen und Flügelkämpfe, die die Partei in die Spaltung treiben. So etwa sieht das grobe Bild aus, wenn grüne außenpolitische Positionen zur Debatte stehen, Kurz: mit denen ist kein Staat zu machen. Ludger Volmer, Gründungsmitglied der Grünen und seit 1994 für seine Bundestagsfraktion im Auswärtigen Ausschuß, korrigiert mit viel Insiderkenntnis dieses öffentliche Bild. Das Buch ist vor der Wahl am 27. September geschrieben und verlegt worden. Inzwischen ist Ludger Volmer Staatsminister im Auswärtigen Amt.

Aber zurück zu Mitteleuropa! Zur Zeit lassen sich die Staaten Mitteleuropas von den Vereinigten Staaten für eine gefährliche christlich - fundamentalistische Großmannssucht mißbrauchen, während in Moskau die Protagonisten einer tief in ihrer Ehre getroffene, gedemütigte, niedergerüstete Großmacht um ihr politisches Überleben kämpfen. Wir hätten keinen Grund, auch nur einen Finger für einen total abgewirtschafteten Staat zur rühren, wenn dieser Staat nicht Atomwaffen hätte, so verrostet sie auch sein mögen. US - Amerika jedoch, fernab von jeder Verantwortung für Europa, benutzt dieses Europa, und bringt es in eine atomare Gefahr. Die irre Vorstellung eines Herrn Clinton, daß das Baku-…L und / oder das irakische …l "unser …L" ist, d.h. nach dem Verständnis von Clinton der us-amerikanischen Macht gehört und er immer in Amerikas Interesse und dem "Rest der Welt" (Übersetzung in der Abendschau) handelt, sollte uns endlich zum Handeln zwingen. Auf deutschem Boden liegen immer noch us-amerikanische Atomwaffen. Ein kurzer Blick auf die Atomrüstung Israels und der destruktiven Politik der israelischen Regierung belehrt uns, daß Europa in seiner jetzigen, abhängigen Verfassung zwischen mehreren Fronten steckt. Insofern wird 1999 zu einem spannenden Jahr werden, welches wir hoffentlich unbeschadet überstehen.

Mit freundlichen Grüßen

Dieter Kersten

abgeschlossen 14. Januar 1999

 
     
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